Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 30

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sondern auch jedesmal diese Zustimmung als eine politische, vaterländische, sozialistische Notwendigkeit befürwortete und, vorzüglich eingedrillt in der neuen Rolle, bereit ist, mit derselben Selbstverständlichkeit weitere Kredite für die Fortführung des Krieges zu bewilligen. Im gleichen Atem materielle Mittel zur Fortsetzung des Krieges zu befürworten und die Wünschbarkeit des baldigen Friedens mit all seinen Segnungen zu preisen, „mit der einen Hand der Regierung das Schwert in die Faust zu drücken, mit der anderen den sanften Palmwedel des Friedens über der Internationale zu schwingen”, das ist ein klassisches Stück der praktischen Sumpfpolitik, wie sie theoretisch in derselben „Neuen Zeit” propagiert wird. Wenn die Sozialisten neutraler Länder, wenn z. B. die Kopenhagener Konferenz[1] die Ausarbeitung von Friedensforderungen und -rezepten auf dem Papier in allem Ernst für eine Aktion zur baldigen Beendigung des Krieges hält, so ist das eine verhältnismäßig harmlose Verirrung. Die Erkenntnis der springenden Punkte in der gegenwärtigen Situation der Internationale und der Ursachen ihres Zusammenbruchs kann und muß Gemeingut aller sozialistischen Parteien werden. Die rettende Tat zur Wiederherstellung des Friedens wie der Internationale kann nur von den sozialistischen Parteien der kriegführenden Länder ausgehen. Der erste Schritt zum Frieden wie zur Internationale ist hier die Umkehr auf der Bahn des Sozialimperialismus. Und wenn die sozialdemokratischen Parlamentarier weiter die Mittel zur Kriegführung bewilligen, so sind ihre Friedenswünsche und -rezepte und ihre feierlichen Erklärungen „gegen jede Eroberungspolitik” im einzelnen das, was die Kautskysche „Internationale”, die sich „nichts vorzuwerfen hat” und die sich periodisch brüderlich umarmt oder sich die Hälse abschneidet, nämlich – eine Heuchelei und, was schlimmer noch, ein Wahngebilde. Auch hier haben die Dinge ihre eigene Logik. Mit der Bewilligung der Kriegskredite liefern die Hochs die Zügel aus der Hand und bewirken sogut das Gegenteil vom Frieden, nämlich das „Durchhalten”, wie die Scheidemanns, die durch die Befürwortung des „Durchhaltens” tatsächlich die Zügel an die „Post”-Leute ausliefern und so das Gegenteil ihrer feierlichen Erklärungen gégen „jede Eroberungspolitik” bewirken, nämlich die Entfesselung der imperialistischen Instinkte – bis zum Verbluten. Auch hier gibt es nur ein Ent

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[1] Eine Konferenz der sozialdemokratischen Parteien neutraler Länder am 17. und 18. Januar 1915 in Kopenhagen, an der Vertreter aus Schweden, Norwegen, Holland und Dänemark teilnahmen, appellierte an die neutralen Regierungen, zwischen den kriegführenden Ländern zu vermitteln, um einen baldigen und dauerhaften Frieden zu erreichen. Es wurde dabei an die Forderungen des Internationalen Sozialistenkongresses in Kopenhagen 1910 erinnert, die u. a. die Einrichtung obligatorischer internationaler Schiedsgerichte einschlossen.