Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 26

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wicklung „in Katastrophen”, gegen die sich Kautsky einst mit anderen „Quertreibern” zu wehren hatte; das ist eine Theorie der Entwicklung – in Purzelbäumen. Die Gesellschaft bewegt sich hier etwa wie der treibende Eisberg im Frühlingsgewässer, der, wenn seine Basis im lauen Strom ringsherum abgeschmolzen ist, nach einer gewissen Zeit den Kopfsturz macht, worauf sich dasselbe niedliche Spiel periodisch wiederholt.

Nun schlagen aber diesem revidierten Geschichtsmaterialismus nicht bloß alle bekannten Tatsachen der bisherigen Geschichte derb ins Gesicht, indem sie statt des frisch konstruierten Gegensatzes zwischen Krieg und Klassenkampf vielmehr schon Binnenfällig einen ständigen dialektischen Umschlag der Kriege in Klassenkämpfe und der Klassenkämpfe in Kriege und so ihre innere Wesenseinheit aufzeigen. So in den Kriegen der mittelalterlichen Städtegeschichte, so in den Reformationskriegen, so in dem niederländischen Befreiungskrieg, so in den Kriegen der Großen Französischen Revolution, so in dem amerikanischen Sezessionskrieg, so in dem Pariser Kommuneaufstand, so in der großen russischen Revolution des Jahres 1905. Auch rein abstrakt-theoretisch genommen, läßt Kautskys Theorie des historischen Materialismus von der marxistischen Theorie, wie eine kurze Überlegung klarmacht, nicht einen Stein auf dem anderen bestehen. Wenn nämlich, wie die Marxsche Geschichtsauffassung annimmt, sowohl Klassenkampf wie Krieg nicht vom Himmel fallen, sondern sich aus tiefliegenden ökonomisch-sozialen Ursachen ergeben, dann können beide nicht periodisch schwinden, wenn ihre Ursachen sich nicht in blauen Dunst auflösen. Nun ist der proletarische Klassenkampf nur eine notwendige Folgeerscheinung des Lohnverhältnisses wie der politischen Klassenherrschaft der Bourgeoisie. Aber während des Krieges schwindet das Lohnverhältnis nicht im geringsten, im Gegenteil, die Ausbeutung wird durch Spekulation und Gründerfieber, die auf dem üppigen Boden der Kriegsindustrie blühen, sowie durch den Druck der Militärdiktatur auf die Arbeiter gewaltsam gesteigert. Die politische Klassenherrschaft der Bourgeoisie hört ebensowenig im Kriege auf, im Gegenteil, sie wird durch die Aufhebung der Verfassungsrechte zur nackten Klassendiktatur erhoben. Wie kann also, da die ökonomischen und politischen Quellen des Klassenkampfes im Kriege zehnfach stärker in der Gesellschaft sprudeln, ihre unausbleibliche Folge, der Klassenkampf, aufhören? Umgekehrt ergeben sich Kriege der heutigen Geschichtsperiode aus den Konkurrenzinteressen der Kapitalistengruppen und aus dem Ausdehnungsbedürfnis des Kapitals. Beide Triebfedern wirken aber nicht bloß, während die Kanonen dröhnen, sondern auch in den Friedenszeiten, wodurch sie

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