Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 27

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gerade den Ausbruch der Kriege vorbereiten und unvermeidlich machen. Ist doch der Krieg – wie Kautsky mit Vorliebe aus Clausewitz zitiert – nur „die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln”. Und hat doch gerade die imperialistische Phase der Kapitalsherrschaft durch das Wettrüsten den Frieden illusorisch gemacht, indem sie im Grunde genommen die Diktatur des Militarismus, den Krieg in Permanenz erklärt hat.

Daraus ergibt sich für den revidierten Geschichtsmaterialismus ein Entweder – Oder. Entweder ist der Klassenkampf auch im Kriege das übermächtige Daseinsgesetz des Proletariats und die Proklamierung der Klassenharmonie an dessen Stelle im Kriege durch die Parteiinstanzen ein Frevel wider die proletarischen Lebensinteressen, oder der Klassenkampf ist auch im Frieden ein Frevel gegen die „nationalen Interessen” und die „Sicherheit des Vaterlandes”. Entweder der Klassenkampf oder die Klassenharmonie ist der fundamentale Faktor des gesellschaftlichen Lebens im Kriege wie im Frieden. Praktisch sieht die Alternative noch deutlicher aus: Entweder wird die Sozialdemokratie, wie ehemalige junge Draufgänger und heutige alte Betschwestern in unseren Reihen bereits reumütig ankündigen, vor der vaterländischen Bourgeoisie pater, peccavi sagen und auch im Frieden ihre ganze Taktik und ihre Grundsätze gründlich revidieren müssen, um sich ihrer heutigen sozialimperialistischen Position anzupassen, oder sie wird vor dem Internationalen Proletariat pater, peccavi sagen und ihr Verhalten im Kriege ihren Prinzipien im Frieden anpassen müssen. Und was für die deutsche, gilt hier selbstverständlich auch für die französische Arbeiterbewegung. Entweder bleibt die Internationale ein Haufen Trümmer auch nach dem Kriege, oder ihre Auferstehung beginnt auf dem Boden des Klassenkampfes, aus dem sie allein ihre Lebenssäfte zieht. Sie wird nicht etwa durch das Hervorziehen des alten Leierkastens nach dem Kriege wieder aufleben, auf dem frisch-fromm-fröhlich und frei, wie wenn nichts geschehen wäre, die alten Melodien vorgeleiert werden, die bis zum 4. August die Welt bezauberten. Nur durch eine „grausam gründliche Verhöhnung der eigenen Halbheiten und Schwächen”, des eigenen moralischen Falls seit dem 4. August, durch die Liquidierung der ganzen Taktik seit dem 4. August kann der Wiederaufbau der Internationale beginnen. Und der erste Schritt in dieser Richtung ist die Aktion für die baldigste Beendigung des Krieges wie für die Gestaltung des Friedens nach dem gemeinsamen Interesse des Internationalen Proletariats.

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