Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 244

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ebenso unvermeidlicher geschichtlicher Logik wieder in die Bahn einer extrem demokratischen und sozialen Aktion einlenken und wieder das Programm von 1905: demokratische Republik, Achtstundentag, Enteignung des Großgrundbesitzes usw„ aufrollen. Vor allem ergibt sich aber für das sozialistische Proletariat in Rußland als die dringendste Losung, die mit allen anderen unablösbar verknüpft ist: Ende dem imperialistischen Kriege!

Hier verwandelt sich das Programm des russischen revolutionären Proletariats in den schärfsten Gegensatz zur russischen imperialistischen Bourgeoisie, die für Konstantinopel schwärmt und bei dem Kriege Profite macht. Die Aktion für den Frieden kann eben in Rußland wie anderwärts nur in einer Form entfaltet werden: als revolutionärer Klassenkampf gegen die eigene Bourgeoisie, als Kampf um die politische Macht im Staate.

Dies sind die unabweisbaren Perspektiven der ferneren Entwicklung der russischen Revolution. Weit entfernt davon, ihr Werk beendet zu haben, hat sie erst eine knappe Einleitung zustande gebracht, der die gewaltigsten Klassenkämpfe um den Frieden und das radikale Programm des Proletariats folgen werden.

Dem großen historischen Drama an der Newa fehlt nicht sein niedliches Satyrspiel an der Spree. Wenn uns das Gedächtnis nicht trügt, hieß die Losung am 4. August 1914: Befreiung Rußlands vom zarischen Despotismus. Dies war ja angeblich das hehre Ziel des Völkermordes, und um dieses „alten Programms von Marx und Engels” willen haben sich ja die Mannen von der sozialdemokratischen Fraktion für die Unterstützung des Krieges entschlossen.

Und nun – wo ist der Jubel über das erreichte Ziel der deutschen Kriegführung? Wo der Triumph in der Regierungspresse: „Wir haben’s erreicht, hurra!” Wie begossene Pudel schauen die deutschen „Befreier” auf das Werk der russischen Revolution. Nicht einmal mehr zu einer anständigen Grimasse, zur „guten Miene” beim bösen Spiel, können sie’s bringen. Die Komödie der ersten Kriegsmonate, diese von der deutschen Sozialdemokratie und für die deutsche Sozialdemokratie behufs Nasführung der Volksmassen inszenierte Posse ist dermaßen vergessen, daß die Schauspieler nicht einmal mehr versuchen, ihre schlechte Laune durch das Hervorholen der verstaubten Masken halbwegs zu verdecken.

Die bleiche Angst vor der Stärkung Rußlands durch seine innere Renovierung, die Angst vor dem in die Augen springenden und hohnsprechenden Vergleich zwischen dem durch die Revolution selbstbefreiten

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