Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 224

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allein das Urteil sprechen, sondern über die nächste Zukunft der Arbeiterklasse in Deutschland. Dann zeigt die deutsche Proletariermasse, daß sie sich alles gefallen, alles bieten läßt. Und sie wird darnach behandelt werden während des Krieges sowie auch nach dem Kriege. Und hat sie ihre Rolle des Kanonenfutters bis zum Schluß brav gespielt, dann darf sie nachher als Packesel sämtliche Kosten und Lasten des Krieges schleppen und obendrein noch die Fußtritte der Reaktion einheimsen.

Wenn also die Arbeiter sich jetzt zum Protest gegen den Justizmord an Liebknecht erheben, so tun sie es nicht für Liebknecht. Nicht um seine Person handelt es sich. Sein Name ist bloß zum Symbol der Arbeitersache und der Treue gegenüber dem Internationalen Sozialismus geworden.

Es handelt sich um die eigene Haut der Arbeiter.

Ihren vielgeplagten Frauen, ihren hungernden Kindern, ihrer eigenen Zukunft sind sie schuldig, sich endlich zu lautem Protest gegen die Gewaltherrschaft und die Verbrechen des bluttriefenden Imperialismus aufzuraffen.

Vom Reichstag und seinem Geschwätz ist für den Frieden und die Linderung der Not der Proletariermassen nichts zu erhoffen. Nach der bisherigen Haltung des Reichstags, namentlich nachdem er sich durch die Auslieferung Liebknechts und der eigenen Immunität prostituiert hat, gibt die Regierung auf diese Bedientenkörperschaft gar nichts mehr, sie betrachtet sie nur noch als Kreditbewilligungsmaschine und braucht sie nur von Zeit zu Zeit als Werkzeug, wenn die patriotische Hetze wieder etwas aufgefrischt werden muß.

Jetzt kann die Arbeiterschaft nur noch von sich selbst etwas erwarten, von der eigenen Massenaktion, vom kräftigen Protest, vom wiederholten Massenstreik, in denen sie ihre wahre Macht entfaltet. Wie in Liebknecht die sich gegen den Völkermord aufbäumende deutsche Arbeiterklasse durch das Schandurteil getroffen werden sollte, so wird im Protest gegen das Urteil, im Kampf für Liebknechts Befreiung die eigene Sache und die eigene Ehre der deutschen Arbeiterklasse verteidigt.

Der Protest gegen die Verurteilung Liebknechts ist ein Protest gegen den Krieg, den Belagerungszustand, den Massenhunger. Der Kampf um Liebknecht ist Kampf um Frieden, Internationale Völkerverbrüderung, sozialistische Befreiung.

Sich zu dieser Aktion aufzuraffen ist jetzt verdammte Pflicht und Schuldigkeit jedes Proletariers und jeder Proletarierfrau in Deutschland. Es ist auch schon die allerhöchste Zeit. Wer sich jetzt in der zwölften Stunde nicht aufrafft, nach fast zweieinhalb Jahren des Mordens, nach diesem

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