Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 115

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Unterstützung kam in steigendem Maße durch den Wetteifer Frankreichs mit Deutschland seit dem Kriege von 1870 die politische hinzu. Je mehr aus dem Schoße des russischen Volkes selbst revolutionäre Kräfte gegen den Absolutismus emporsteigen, um so mehr prallen sie auf Widerstände aus Westeuropa, das dem bedrohten Zarismus moralische und politische Rückenstärkung gewährt. Als zu Beginn der achtziger Jahre die terroristische Bewegung des älteren russischen Sozialismus das zarische Regiment für einen Moment schwer erschüttert, seine Autorität nach innen und nach außen vernichtet hatte, gerade dann schloß Bismarck mit Rußland seinen Rückversicherungsvertrag ab und schaffte ihm Rückendeckung in der Internationalen Politik. Je mehr Rußland andererseits von der deutschen Politik umworben wurde, um so unbegrenzter wurde ihm natürlich der Säckel der französischen Bourgeoisie geöffnet. Aus beiden Hilfsquellen schöpfend, fristete der Absolutismus sein Dasein im Kampfe gegen die nunmehr steigende Flut der revolutionären Bewegung im Innern.

Die kapitalistische Entwicklung, die der Zarismus mit eigenen Händen hegte und pflegte, trug nun endlich die Frucht: Seit den neunziger Jahren beginnt die revolutionäre Massenbewegung des russischen Proletariats. Unter dem Zarismus geraten die Fundamente im eigenen Lande ins Schwanken und Beben. Der einstige „Hort der europäischen Reaktion” sieht sich bald gezwungen, selbst „eine schlechte Konstitution” zu geben, und muß vor der steigenden Flut im eigenen Heim nunmehr selbst einen rettenden „Hort” suchen. Und er findet ihn – in Deutschland. Das Deutschland Bülows tilgt[1] die Schuld der Dankbarkeit, die das Preußen Wrangels und Manteuffels eingegangen war. Das Verhältnis erfährt eine direkte Umkehrung: Russische Hilfeleistungen gegen die deutsche Revolution werden ersetzt durch deutsche Hilfeleistungen gegen die russische Revolution. Spitzeleien, Ausweisungen, Auslieferungen – eine regelrechte „Demagogenhetze” aus den seligen Zeiten der Heiligen Allianz wird in Deutschland gegen die russischen Freiheitskämpfer entfesselt, die sie bis an die Schwelle der russischen Revolution verfolgt. Die Hetze findet im Jahre 1904 im Königsberger Prozeß[2] nicht bloß ihre Krönung, sie beleuchtet hier wie mit Blitzlicht die ganze geschichtliche Strecke der Entwicklung seit 1848, die völlige Umstülpung des Verhältnisses zwischen dem russi-

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[1] In der Quelle: trägt.

[2] Neun deutsche Sozialdemokraten waren in einem Prozeß in Königsberg vom 12. bis 25. Juli 1904 des Hochverrats gegen Rußland, der Beleidigung des Zaren und der Geheimbündelei angeklagt worden, weil sie revolutionäre Literatur nach Rußland befördert hatten. Karl Liebknecht, einer der Verteidiger, prangerte die brutale Unterdrückung in Rußland und die Zusammenarbeit zwischen den preußischen und den zaristischen Behörden an.