Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 104

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der Balkanstaaten überhaupt gerichtet und bildete für sie die ständige Gefahr. Bedrohte doch der österreichische Imperialismus bald durch die Annexion Bosniens, bald durch Ansprüche auf den Sandschak Novibazar und auf Saloniki, bald durch Ansprüche auf die albanische Küste fortwährend den Bestand und die Entwicklungsmöglichkeiten der Balkanstaaten. Diesen österreichischen Tendenzen zuliebe sowie infolge der Konkurrenz Italiens mußte auch nach dem zweiten Balkankrieg das Spottgebild des „unabhängigen Albaniens” unter einem deutschen Fürsten geschaffen werden, das von der ersten Stunde an nichts anderes war als ein Spielball von Intrigen der imperialistischen Rivalen.

So wurde die imperialistische Politik Österreichs im letzten Jahrzehnt zum Hemmschuh für eine normale fortschrittliche Entwicklung auf dem Balkan und führte von selbst zu dem unausweichlichen Dilemma: entweder die Habsburgische Monarchie oder die kapitalistische Entwicklung der Balkanstaaten! Der Balkan, der sich von der türkischen Herrschaft emanzipiert hatte, sah sich vor die weitere Aufgabe gestellt, noch das Hindernis Österreich aus dem Wege zu räumen. Die Liquidierung Österreich-Ungarns ist historisch nur die Fortsetzung des Zerfalls der Türkei und zusammen mit ihm ein Erfordernis des geschichtlichen Entwicklungsprozesses.

Aber jenes Dilemma ließ keine andere Lösung zu als Krieg, und zwar den Weltkrieg. Hinter Serbien stand nämlich Rußland, das seinen Einfluß auf dem Balkan und seine „Beschützer”rolle nicht preisgeben konnte, ohne auf sein ganzes imperialistisches Programm im Orient zu verzichten. In direktem Gegensatz zur österreichischen ging die russische Politik darauf aus, die Balkanstaaten, natürlich unter Rußlands Protektorat, zusammenzuschließen. Der Balkanbund, dessen siegreicher Krieg im Jahre 1912 mit der europäischen Türkei fast ganz aufgeräumt hatte, war Rußlands Werk und hatte in dessen Intentionen die Hauptspitze gegen Österreich zu richten. Zwar zerschellte der Balkanbund entgegen allen Bemühungen Rußlands alsbald im zweiten Balkankrieg, aber das aus diesem Kriege siegreich hervorgegangene Serbien wurde nun in gleichem Maße auf die Bundesgenossenschaft Rußlands angewiesen, wie Österreich sein Todfeind wurde. Deutschland, an die Schicksale der Habsburgischen Monarchie gekoppelt, sah sich genötigt, deren stockreaktionäre Balkanpolitik auf Schritt und Tritt zu decken und nun in doppelt scharfen Gegensatz zu Rußland zu treten.

Die österreichische Balkanpolitik führte aber ferner zum Gegensatz mit Italien, das an der Liquidation sowohl Österreichs wie der Türkei lebhaft interessiert ist. Der Imperialismus Italiens findet in den italienischen Be-

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