Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 101

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Aber noch mehr als direkt mit Deutschland prallte die russische Politik auf dem Balkan mit Österreich zusammen. Die politische Ergänzung des deutschen Imperialismus, sein siamesischer Zwillingsbruder und sein Verhängnis zugleich ist der österreichische Imperialismus.

Deutschland, das sich durch seine Weltpolitik nach allen Seiten isoliert hat, findet nur in Österreich einen Bundesgenossen. Das Bündnis mit Österreich ist freilich alt, noch von Bismarck im Jahre 1879 gegründet, seitdem hat es aber völlig seinen Charakter verändert. Wie der Gegensatz zu Frankreich, so ist das Bündnis mit Österreich durch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte mit neuem Inhalt gefüllt worden. Bismarck dachte lediglich an die Verteidigung des durch die Kriege 1864–1870 geschaffenen Besitzstandes. Der von ihm geschlossene Dreibund hatte durchaus konservativen Charakter, namentlich auch in dem Sinne, daß er den endgültigen Verzicht Österreichs auf den Eintritt in den deutschen Staatenbund, die Aussöhnung mit dem von Bismarck geschaffenen Stand der Dinge, die Besiegelung der nationalen Zersplitterung Deutschlands und der militärischen Hegemonie Großpreußens bedeutete. Die Balkantendenzen Österreichs waren Bismarck ebenso zuwider wie die südafrikanischen Erwerbungen Deutschlands. In seinen „Gedanken und Erinnerungen” sagt er:

„Es ist natürlich, daß die Bewohner des Donaubeckens Bedürfnisse und Pläne haben, die sich über die heutigen Grenzen der österreich-ungarischen Monarchie hinaus erstrecken; und die deutsche Reichsverfassung zeigt den Weg an, auf dem Österreich eine Versöhnung der politischen und materiellen Interessen erreichen kann, die zwischen der Ostgrenze des rumänischen Volksstammes und der Bucht von Cattaro vorhanden sind. Aber es ist nicht die Aufgabe des Deutschen Reichs, seine Untertanen mit

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