listische Internationale.[1] Das „Hamburger Echo” findet das Verhalten unserer Fraktion und der Partei im gegenwärtigen Kriege tadellos und über jedes Lob erhaben. Das ist sein gutes Recht. Wer wird ihm auch seine Auffassung unter den heutigen Verhältnissen streitig machen dürfen! Der Belagerungszustand hat mit inneren Auseinandersetzungen kurzen Prozeß gemacht. Aber gerade deshalb müßte gewisse Rücksicht auf Andersdenkende und -fühlende in den eigenen Reihen es jedem Parteiblatt verbieten, solche scharfen Ausfälle gegen die ausländischen Genossen zu veröffentlichen, wie sie das „Hamburger Echo” gebracht hat.
Die französischen und belgischen Genossen haben ihre Auffassung über die Ursachen und den Charakter des gegenwärtigen Krieges zum Ausdruck gebracht, indem sie sich und ihre Länder als die Angegriffenen betrachten, sie haben sich über gewisse Vorgänge beklagt wie die bekannten in Belgien.[2] Die italienischen, schweizerischen, holländischen, schwedischen Genossen haben so ziemlich dieselbe Auffassung und können manches, was vorgegangen ist, nicht begreifen. Kein Wunder! Sieht doch die Welt – und auch die Parteipresse – heute so aus, daß man sich oft an den Kopf fassen und fragen muß, ob man nicht träume. Für diese Zweifel und diese Auffassung müssen sich aber die Franzosen wie die Belgier, die Schweizer wie die Italiener im Hamburger Parteiorgan Dinge an den Kopf werfen lassen, die man noch nie in einem sozialdemokratischen Blatte an die Adresse von Sozialdemokraten gerichtet hat. „Unverschämtheit”, „Lügen”, „Dreistigkeit” ist so ziemlich das mildeste, was unsere Brüder jenseits der Grenzen zu hören kriegen. Sie werden belehrt, daß sie nicht den blauen Dunst von wahrem Internationalismus verstehen und daß ihre Führer – namentlich die italienischen – feile Streber seien, die sich auf Kosten des Proletariats mästen. Doch es kommt noch besser: Den ausländischen Genossen, die sich jetzt erlauben, an der deutschen Sozialdemokratie einige kritische Zweifel leise zu äußern, wird schnöde Undankbarkeit vorgeworfen, da sie ja aus dem deutschen Parteisäckel mehrmals materiell unterstützt worden seien. Wir hoffen, daß es wenige Genossen in der Partei gibt, denen angesichts einer so niedrigen Auffassung
[1] Siehe Eine notwendige Erklärung. In: Hamburger Echo. Nr. 211 vom 10. September 1914.
[2] Gegen Belgien, das am 4. August 1914 unter Bruch des Völkerrechts vom deutschen Imperialismus überfallen worden war, wurde der Krieg mit beispielloser Brutalität geführt. Um den Widerstand des belgischen Volkes zu brechen, wurden zahlreiche Ortschaften niedergebrannt und Geiseln aus der Zivilbevölkerung erschossen. Ende August 1914 hatten deutsche Truppen große Teile der Universitätsstadt Löwen zerstört und unersetzliche Kulturwerte vernichtet.