Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 530

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durch rohe Gewaltmittel Oberhand gewinnen, den weiteren Entwicklungsgang, den Siegeszug der Revolution aufzuhalten, sind sie völlig machtlos.

Und das kommt am besten in der Tatsache zum Ausdruck, daß keine einzige Kombination auf den Trümmern dieser Woche aufgerichtet werden kann, die von irgendwelcher Dauerhaftigkeit wäre. Was auch morgen oder übermorgen als Ergebnis und Lösung der Krise zustande kommen mag: Es wird ein Provisorium, es wird ein Kartenhaus sein. Mag die nackte Gewalt der Maschinengewehre oder die Zweideutigkeit des Verschleierungsplanes der USP die Oberhand gewinnen – nach kürzester Zeit werden die Urgewalten der Revolution: die wirtschaftlichen Kämpfe, einen Strich durch all diese Rechnungen machen. Die Revolution wird wieder und immer wieder das Grundproblem, die Generalabrechnung zwischen Arbeit und Kapital, auf die Tagesordnung stellen. Und diese Abrechnung ist eine welthistorische Auseinandersetzung zwischen zwei Todfeinden, die nur in einem langen Machtkampf, Auge in Auge, Brust gegen Brust ausgefochten werden kann.

Kaum werden die Trümmer und die Leichen dieser jüngsten Episode hinweggetragen werden, tritt die Revolution an diese ihre unermüdliche Tagesarbeit wieder. Die Spartakisten gehen ihren Weg mit unerschütterlicher Festigkeit weiter. Die Zahl der von ihnen gebrachten Opfer wächst mit jeder Woche, die Zahl ihrer Anhänger wächst aber hundertfach. Unter dem Belagerungszustand des Krieges füllten sie Gefängnisse und Zuchthäuser, unter der „sozialistischen” Regierung Ebert–Scheidemann füllen sie die Gräber im Friedrichshain. Aber um die Fahne des rücksichtslosen revolutionären Kampfes scharen sich immer dichter die Massen des Proletariats. Mögen sich momentan einzelne Schichten von der Demagogie und der Phrase der „Einigung” berauschen und einfangen lassen, desto fester und treuer werden sie morgen schon, nach neuer Enttäuschung und Ernüchterung, wieder zu der einzigen Partei stehen, die keine Kompromisse, keine Schwankungen kennt, die ihren historisch vorgezeichneten Weg geht, ohne nach rechts oder nach links zu schauen, ohne den Feind und die Gefahren zu zählen – bis zum Siege.

Die Rote Fahne (Berlin),
Nr. 13 vom 13. Januar 1919.

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