Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 529

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-4/seite/529

Scheidemann, Landsberg, Noske, sollen von der Bühne abtreten, nur ein Personenwechsel soll stattfinden, die Scheidemannsche Politik aber soll nach wie vor am Ruder bleiben, und mit ihr sollen „alle sozialistischen Richtungen” eine gemeinsame Regierung bilden.

Da die „Spartakisten” heute, angesichts der Leichen hingemordeter Proletarier, angesichts der Blutorgien der Scheidemänner, noch zehnmal mehr als je für diese erbärmlichste Politik des Kompromisses und des Verrats an der Sache der Revolution nur einen Blick der Verachtung und die geballte Faust übrig haben, so läuft die Phrase der Haase-Leute von der Koalition „aller sozialistischen Richtungen” in Wirklichkeit auf die frühere bekannte Kombination Scheidemänner und Unabhängige hinaus. Die Wiederauferstehung der Regierung Ebert–Haase unter neuen Personennamen, das ist alles, worauf der große „Einigungs”rummel der USP hinaus will. Und je kräftiger man auf die Ebert–Scheidemann heute in der „Freiheit” schimpft, um so sicherer bereitet man unter dieser Scheinkanonade den schmählichen Umfall der USP vor, die trotz aller Lehren, trotzdem sie schon gezwungen war, am 28. Dezember das Kompaniegeschäft mit den Scheidemännern aufzugeben[1], einfach zu diesem Geschäft – nur unter anderen Firmenträgern – zurückkehren will.

So ergeben sich aus der gegenwärtigen Krise drei Kombinationen: Die Ebert–Scheidemann wollen den Status quo, ihre eigene Herrschaft, auf Bajonette der Bourgeoisie gestützt, weiter erhalten;

die USP will die Entwicklung auf den 9. November, auf eine Regierung Ebert–Haase unter anderem Namen zurückschrauben;

die Bourgeoisie endlich will die Dinge auf den Stand vor dem 9. November, auf die nackte Säbeldiktatur rückwärtsrevidieren.

Allé drei Kombinationen sind Kartenhäuser schon deshalb, weil sie alle drei auf überholte, überwundene Etappen hinauslaufen. Die Revolution läßt sich nicht zurückschrauben, nicht zurückrevidieren, weder auf den 9. November noch viel weniger auf die schönen Zeiten vor dem 9. November, und ebensowenig läßt sie sich unter Eberts Zepter auf einem toten Punkt festnageln.

Der ganze politische Sinn und historische Inhalt der Krise dieser letzten Woche liegt gerade darin, daß die Revolution durch ihre innere Kraft und logische Entwicklung vorwärtsgetrieben wird, um mit der Machteroberung des Proletariats, mit der Verwirklichung des Sozialismus Ernst zu machen, während sich ihr heute noch hemmende Momente auf Schritt und Tritt in den Weg stellen. Mögen diese gegnerischen Kräfte für den Augenblick

Nächste Seite »



[1] Der Druck der Massenproteste in ganz Deutschland gegen das Wüten der konterrevolutionären Truppen und die revolutionsfeindliche Politik der Regierung sowie die Verschärfung der Auseinandersetzungen in der Regierung durch die Rechtssozialdemokraten hatten die Volksbeauftragten der USPD Emil Barth, Wilhelm Dittmann und Hugo Haase gezwungen, am 29. Dezember 1918 aus der Regierung auszutreten. Dafür traten die Sozialdemokraten Gustav Noske und Rudolf Wissell in das Kabinett ein.