Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 509

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-4/seite/509

einführen. Wir müssen die Macht ergreifen, wir müssen uns die Frage der Machtergreifung vorlegen als die Frage: Was tut, was kann, was soll jeder Arbeiter- und Soldatenrat in ganz Deutschland? („Bravo!”) Dort liegt die Macht, wir müssen von unten adf den bürgerlichen Staat aushöhlen, indem wir überall die öffentliche Macht, Gesetzgebung und Verwaltung nicht mehr trennen, sondern vereinigen, in die Hände der Arbeiter- und Soldatenräte bringen.

Parteigenossen, das ist ein gewaltiges Feld, das zu beackern ist. Wir müssen vorbereiten von unten auf, den Arbeiter- und Soldatenräten eine solche Macht geben, daß, wenn die Regierung Ebert–Scheidemann oder irgendeine ihr ähnliche gestürzt wird, dies dann nur der Schlußakt ist. So soll die Machteroberung nicht eine einmalige, sondern eine fortschreitende sein, indem wir uns hineinpressen in den bürgerlichen Staat, bis wir alle Positionen besitzen und sie mit Zähnen und Nägeln verteidigen. Und der ökonomische Kampf, auch er soll nach meiner Auffassung und der Auffassung meiner nächsten Parteifreunde durch die Arbeiterräte geführt werden. Auch die Leitung der ökonomischen Auseinandersetzung und die Hinüberleitung dieser Auseinandersetzung in immer größere Bahnen soll in den Händen der Arbeiterräte liegen. Die Arbeiterräte sollen alle Macht im Staate haben. Nach dieser Richtung hin haben wir in der nächsten Zeit zu arbeiten, und daraus ergibt sich auch, wenn wir uns diese Aufgabe stellen, daß wir mit einer kolossalen Verschärfung des Kampfes in der nächsten Zeit zu rechnen haben. Denn hier gilt es, Schritt um Schritt, Brust an Brust zu kämpfen in jedem Staat, in jeder Stadt, in jedem Dorf, in jeder Gemeinde, um alle Machtmittel des Staates, die der Bourgeoisie Stück um Stück entrissen werden müssen, den Arbeiter- und Soldatenräten zu übertragen.

Dazu müssen aber auch unsere Parteigenossen, dazu müssen die Proletarier erst geschult werden. Auch dort, wo Arbeiter- und Soldatenräte bestehen, fehlt noch das Bewußtsein dafür, wozu die Arbeiter- und Soldatenräte berufen sind. („Sehr richtig!”) Wir müssen die Massen erst darin schulen, daß der Arbeiter- und Soldatenrat der Hebel der Staatsmaschinerie nach allen Richtungen hin sein soll, daß er jede Gewalt übernehmen muß und sie alle in dasselbe Fahrwasser der sozialistischen Umwälzung leiten muß. Davon sind auch noch diejenigen Arbeitermassen, die schon in den Arbeiter- und Soldatenräten organisiert sind, meilenweit entfernt, ausgenommen natürlich einzelne kleinere Minderheiten von Proletariern, die sich ihrer Aufgaben klar bewußt sind. Aber das ist nicht ein Mangel, sondern das ist gerade das normale. Die Masse muß, indem sie Macht ausübt,

Nächste Seite »