Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 507

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Kardinalfrage, die Frage in bezug auf die Friedensaussichten, aufs engste verknüpft. Was sehen wir in diesen Abmachungen anders als die Wiederentfachung des Krieges? Während diese Halunken in Deutschland eine Komödie aufführen, daß sie alle Hände voll zu tun hätten, den Frieden herzustellen, und daß wir die Leute, die Störenfriede seien, die die Unzufriedenheit der Entente erregen und den Frieden hinauszögen, bereiten sie mit eigenen Händen das Wiederaufflammen des Krieges, des Krieges im Osten vor, dem der Krieg in Deutschland auf dem Fuße folgen wird. So haben Sie auch hier wieder die Situation, die dazu führt, daß wir uns in eine Periode der scharfen Auseinandersetzung begeben müssen. Wir werden zusammen mit dem Sozialismus und den Interessen der Revolution auch die Interessen des Weltfriedens zu verteidigen haben, und dies ist gerade die Bestätigung der Taktik, die wir Spartakusleute wiederum als die einzigen während’ des ganzen vierjährigen Krieges bei jeder Gelegenheit vertreten haben. Friede bedeutet Weltrevolution des Proletariats! Es gibt keinen anderen Weg, den Frieden wirklich herzustellen und zu sichern, als den Sieg des sozialistischen Proletariats. (Lebhafte Zustimmung.)

Parteigenossen, was ergibt sich für uns daraus als allgemeine taktische Richtlinie für die Situation, in der wir in nächster Zeit stehen? Das nächste, was Sie daraus schließen werden, ist wohl die Hoffnung, daß nun der Sturz der Ebert-Scheidemann-Regierung erfolgt und daß sie durch eine ausgesprochen sozialistisch-proletarisch-revolutionäre Regierung ersetzt werden müßte. Allein, ich möchte Ihr Augenmerk nicht nach der Spitze, nach oben richten, sondern nach unten. Wir dürfen nicht die Illusion der ersten Phase der Revolution, der des 9. November, weiterpflegen und wiederholen, als sei es überhaupt für den Verlauf der sozialistischen Revolution genügend, die kapitalistische Regierung zu stürzen und durch eine andere zu ersetzen. Nur dadurch kann man den Sieg der proletarischen Revolution herbeiführen, daß man umgekehrt anfängt, die Regierung Ebert–Scheidemann zu unterminieren durch einen sozialen, revolutionären Massenkampf des Proletariats auf Schritt und Tritt, auch möchte ich Sie hier an einige Unzulänglichkeiten der deutschen Revolution erinnern, die nicht mit der ersten Phase überwunden worden sind, sondern deutlich zeigen, daß wir leider noch nicht soweit sind, um durch den Sturz der Regierung den Sieg des Sozialismus zu sichern. Ich habe Ihnen darzulegen versucht, daß die Revolution des 9. November vor allem eine politische Revolution war, während sie doch in der Hauptsache noch eine ökonomische werden muß. Sie war aber auch nur eine städtische Revolution, das flache Land ist bis jetzt

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