Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 457

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hat, so ist die wahre Ursache die Politik Haases in der Regierung. (Stürmische Unterbrechung.) Wie verkehrt ist es, die Spartakusgruppe zu beschuldigen, da gerade wir an dem sozialistischen Gewissen der Massen gerüttelt haben! Vier Jahre hindurch haben Haase und seine Freunde die Sozialpatrioten bekämpft, um zuletzt mit den Schuldigen Frieden zu machen. Und darum sind sie die wahren Schuldigen.

Haase hat uns den Vorwurf machen wollen, daß wir uns der Meinung der Massen unterordnen, weil wir die Regierung nicht anders als mit Zustimmung der Massen übernehmen werden. Wir ordnen uns nicht unter, wir warten auch nicht ab. Sondern wir wollen Eure Halbheiten, Eure Schwächen denunzieren. Wenn Haase und seine Freunde aus der Regierung austreten, so werden sie dadurch die Massen aufrütteln und aufklären. Wenn sie aber fortfahren, die Regierung zu decken, so werden die Massen sich erheben und Euch fortfegen. Jetzt in der Revolution können keine Reden, keine Broschüren die notwendige Aufklärungsarbeit leisten. Jetzt kommt es auf eine Aufklärung durch Taten an.

Ja, die Zustände in der USP sind unhaltbar, da hier Elemente vereinigt sind, die nicht zusammengehören. Entweder ist man entschlossen, gemeinsame Sache mit den Sozialpatrioten zu machen, oder man muß mit dem Spartakusbund gehen. Darüber sollte der Parteitag entscheiden. Aber indem wir den Parteitag fordern, finden wir jetzt bei Haase ebenso verstopfte Ohren, wie wir sie mit der gleichen Forderung während des Krieges bei Scheidemann fanden.

Ich lege der Verbandsversammlung folgende Resolution vor: Die außerordentliche Verbandsversammlung der USP von Groß-Berlin am 15. 12. 1918 fordert:

  1. . den sofortigen Austritt der Vertreter der USP aus der Regierung Ebert-Scheidemann;

  2. . die Verbandsversammlung lehnt die Einberufung der Nationalversammlung ab, die nur dazu führen kann, die Gegenrevolution zu stärken und die Revolution um ihre sozialistischen Ziele zu betrügen;

  3. . die sofortige Übernahme der ganzen politischen Macht durch die A.- und S.-Räte, Entwaffnung der Gegenrevolution, Bewaffnung der Arbeiterbevölkerung, Bildung der Roten Garde zum Schutze der Revolution, Auflösung des Ebert-Rates der Volksbeauftragten, Austattung des Vollzugsrates der A.- und S.-Räte mit der höchsten Staatsgewalt;

  4. die Verbandsgeneralversammlung fordert die sofortige Einberufung des Parteitages der USP.[1]

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[1] Für diese Resolution wurden 195 Stimmen abgegeben. Die Resolution Rudolf Hilferdings, in der die Organisierung der Wahlen zur Nationalversammlung als wichtigste politische Aufgabe der USPD bezeichnet wurde, erhielt 485 Stimmen.