Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 456

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gierung getroffen. Hat sie die Kriegsanleihe annulliert? Hat sie das Volk zur Verteidigung der Revolution bewaffnet? Sie hat die Rote Garde verboten und dafür die Weiße Garde von Wels anerkannt. Bei dem Putsch vom 6. Dezember[1] liefen alle konterrevolutionären Fäden in den Händen der Ebert und Wels zusammen. Alle Offiziere und Generale, Lequis und Hindenburg stellen sich auf den Boden der Regierung, und Haase sagt uns, daß es eine sozialistische Regierung sei. Gerade diese Methoden der Regierung verwirren das Proletariat. Nach dem 6. Dezember mußten die Unabhängigen aus der Regierung austreten, sie mußten die Verantwortung für das Geschehene ablehnen, um die Massen auf zurütteln und ihnen zu sagen, die Revolution ist in Gefahr. Dadurch, daß es nicht geschah, werden die Massen eingeschläfert, und die Fortsetzung dieser Einschläferungspolitik war die heutige Rede Haases.

Haase hat die Großtaten der neuen Regierung aufgezählt – lauter bürgerliche Reformen, die uns beweisen, wie rückständig Deutschland war; das sind die veralteten Schulden der Bourgeoisie, keine revolutionären Eroberungen des Proletariats, worum es sich doch gehandelt hätte.

Haase hat ferner gesagt, wir dürfen die Taktik der Russen nicht sklavisch Dachzeichnen, da Deutschland wirtschaftlich fortgeschrittener ist. Wir müssen aber von ihnen lernen. Die Bolschewisten mußten erst Erfahrungen sammeln. Wir können uns die reife Frucht dieser Erfahrungen aneignen.

Der Sozialismus ist keine Frage der parlamentarischen Wahl, sondern eine Machtfrage. Brust an Brust und Auge in Auge müssen die Proletarier mit der Bourgeoisie im Klassenkampf kämpfen. Dazu muß das Proletariat ausgerüstet werden. Auf Diskussionen, auf Mehrheitsbeschlüsse kommt es nicht mehr an. Haase ist für die Hinausschiebung der Nationalversammlung eingetreten, aber gleichwohl sieht er die Nationalversammlung als eine Arena des politischen Kampfes an. Die Parteileitung der Unabhängigen hatte den April als den Termin der Nationalversammlung festgesetzt. Die Vertreter der Unabhängigen in der Regierung sind umgefallen, indem sie sie auf den 16. Februar anberaumten.

Haase hat das Prinzip der Demokratie gerühmt. Nun, wenn das Prinzip der Demokratie gelten soll, so doch vor allem in unserer Partei selbst. Dann aber muß sofort der Parteitag einberufen werden, damit die Massen sagen können, ob sie diese Regierung noch wollen.

Wenn die USP jetzt in Berlin bei den Wahlen[2] eine Niederlage erlitten

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[1] Organisiert vom sozialdemokratischen Berliner Stadtkommandanten Otto Wels, dem Generalkommando des Gardekorps, dem Kriegsministerium und dem Auswärtigen Amt, hatten am 6. Dezember 1918 von reaktionären Offizieren geführte Truppenteile einen Putschversuch unternommen. Sie verhafteten den Vollzugsrat der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte, besetzten die Redaktion der „Roten Fahne, riefen Friedrich Ebert zum Präsidenten aus und schossen in der Chausseestraße in eine unbewaffnete Demonstration, wobei sie 14 Personen töteten und weitere 30 verwundeten.

[2] Am 14. Dezember 1918 waren die Wahlen der Delegierten zum 1. Allgemeinen Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands durchgeführt worden. – Vom 16. bis 21. Dezember 1918 tagte in Berlin der 1. Allgemeine Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands, auf dem die Vertreter der SPD dominierten. Mit der Zustimmung, am 19. Januar 1919 die Wahlen zu einer Nationalversammlung durchzuführen, die die weitere Regelung übernehmen sollte, und der Wahl eines Zentralrats der Arbeiter- und Soldatenräte, dem nur das Recht zugebilligt wurde, wichtige Gesetzesvorlagen der Regierung zu beraten, entschied dieser Kongreß in der Grundfrage der Revolution, Rätemacht oder bürgerliche Nationalversammlung, zugunsten des bürgerlichen Staates.