Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 330

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Züge aus dem Schicksal des modernen Proletariats. Und nur wer Gorkis Lebenserinnerungen gelesen, kann seinen wunderbaren Aufstieg aus dieser sozialen Tiefe zur vollen Sonnenhöhe moderner Bildung, genialer Kunst und einer wissenschaftlich fundierten Weltanschauung ermessen. Auch darin sind Gorkis persönliche Schicksale symbolisch für das russische Proletariat als Klasse, das sich mitten aus dem Rauhen und Krassen der äußeren Unkultur des Zarenreiches durch die harte Schule des Kampfes in erstaunlich kurzer Zeit von zwei Jahrzehnten zur geschichtlichen Aktionsfähigkeit emporgearbeitet hat. Sicher ein unbegreifliches Phänomen dies für alle Kulturphilister, die gute Straßenbeleuchtung, pünktlichen Eisenbahnverkehr und saubere Stehkragen für Kultur sowie fleißiges Klappern der parlamentarischen Mühlen für politische Freiheit halten.

Der starke Zauber der Korolenkoschen Poesie bildet zugleich ihre Schranke. Korolenko wurzelt ganz in der Gegenwart, im erlebten Moment, im sinnlichen Eindruck. Seine Erzählungen sind wie ein Strauß frischgepflückter Feldblumen; die Zeit ist ihrer fröhlichen Farbigkeit, ihrem köstlichen Duft nicht hold. Das Rußland, das Korolenko schildert, ist nicht mehr, es ist das Rußland von gestern. Die zarte, poetische, verträumte Stimmung, die über seinem Land und seinen Leuten liegt, ist vorbei. Sie hat schon vor einem, vor anderthalb Jahrzehnten der tragischen, gewitterschwülen Stimmung der Gorki und Genossen Platz gemacht, den schrillstimmigen Sturmvögeln der Revolution. Sie hat bei Korolenko selbst der Kampfstimmung weichen müssen. In ihm wie in Tolstoi siegte zum Schluß der soziale Kämpfer, der große Bürger über den Dichter und Träumer. Als Tolstoi in den 80er Jahren anfing, sein sittliches Evangelium in einer neuen literarischen Form, in kleinen volkstümlichen Erzählungen zu predigen, wandte sich Turgenjew in einem flehenden Briefe an den Weisen von Jasnaja Poljana, um ihn im Namen des Vaterlandes zur Rückkehr in die Gefilde der reinen Kunst zu bewegen. Auch um Korolenkos duftige Poesie trauerten seine Freunde, als er sich mit Feuereifer in die Journalistik stürzte. Doch der Geist der russischen Literatur: das hohe soziale Verantwortlichkeitsgefühl, erwies sich bei diesem begnadeten Dichter stärker sogar als die Liebe zur Natur, zum ungebundenen Wanderleben, zum poetischen Schaffen. Von der Woge der nahenden revolutionären Sturmflut mitgerissen, verstummt er als Dichter am Ende der 90er Jahre immer mehr, um nur noch als Vorkämpfer der Freiheit, als geistiger Mittelpunkt der oppositionellen Bewegung der russischen Intelligenz seine Klinge blitzen zu lassen. „Die Geschichte meines Zeitgenossen”, die in den Jahren 1906 bis 1910 in der von Korolenko herausgegebenen

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