Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 273

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und der ganzen Entartung der Demokratie in der alten Partei aufzudecken und an sie die Axt zu legen.

In allen den gekennzeichneten Zügen war die Gothaer Tagung in der Tat eine legitime Fortsetzung der alten Partei, und das Parteizentrum setzte hier seine seit 10 bis 15 Jahren vor dem Kriege ausgeübte Funktion fort, die tiefen inneren Widersprüche der Bewegung zu überkleistern und so das Leben der Partei von der Hand in den Mund, ohne jede durchgreifende große Orientierung zu ermöglichen.

Einzig die Richtung „Internationale” hat in Gotha das Element der Kritik und der Erneuerung der Bewegung in die Tagung hineingetragen. Durch die äußerst wichtige Bedingung, daß Programm wie Organisation gemäß den im Weltkriege gewonnenen neuen Erkenntnissen ausgestaltet werden sollen, durch Anregung der Massenaktivität im Parteileben vermittels Urabstimmungen, durch Wahrung der politischen Autonomie der lokalen Einheiten der Organisation, endlich durch allgemeine scharfe Kritik des Parlamentarismus, der politischen Defensive der Arbeitsgemeinschaft, ihrer Verwirrung in der Frage der Landesverteidigung usw. hat unsere Richtung sowohl in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wie in der Anbahnung neuer Wege zugleich kritisch und vorwärtstreibend gewirkt.

Dies hervorzuheben ist wichtig nicht aus abgeschmackter Rechthaberei oder Besserwisserei, sondern weil in dieser Rollenverteilung das eigentliche Amt der Richtung „Internationale” in der neuen Partei und der bewußte Zweck des Eintritts ihrer Mitgliedschaften in dieselbe deutlich zum Ausdruck kam. Die Richtung „Internationale” bleibt, was sie war. Nicht aus Opportunitätsrücksichten irgendwelcher Art ist sie der neuen Partei beigetreten und nicht zu einer rührenden Aussöhnungsverbrüderung mit der Arbeitsgemeinschaft im unterschiedslosen Brei einer rückgratlosen „Opposition”. Sie ist der neuen Partei beigetreten, um – im Vertrauen auf zunehmende Verschärfung der allgemeinen sozialen Lage und im bewußten Hinarbeiten auf sie – die neue Partei vorwärtszudrängen, ihr mahnendes Gewissen zu sein und als Ausdruck der weitgehendsten Bedürfnisse der Arbeiterbewegung im ganzen bei Zuspitzung und Aufeinanderplatzen der sozialen Gegensätze die wirkliche Führerschaft in der Partei zu übernehmen.

Die Organisationen der Gruppe „Internationale” verbanden sich mit der Arbeitsgemeinschaft zum gemeinsamen Kampfe, aber sie verbanden sich nur in dem Sinne, wie Figaro vom Grafen Almaviva singt:

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