„freiheitlichen Forderungen durchzusetzen”, und der Mameluckenreichstag des Imperialismus ist berufen, zur Geburtsstätte der deutschen Freiheit zu werden! – Demnach erscheint ja das „Aktionsprogramm” der Arbeitsgemeinschaft als ein würdiges Seitenstück zu den preußisch-deutschen „Reformen” von oben – beides nette Eulenspiegeleien auf die gewaltige Weltwende der russischen Revolution. Was aber in dem schönen Bekenntnis des „Mitteilungs-Blattes” am interessantesten, ist die Grundauffassung von den Ereignissen in Rußland.
Ganz im Geiste des biederen Freisinns erblicken hier die Führer der „Arbeitsgemeinschaft” in der russischen Revolution bloß eine bürgerlich-liberale Korrektur des veralteten Zarismus. Keine Ahnung davon, daß es sich zugleich um eine erste proletarische Übergangsrevolution von welthistorischer Tragweite handelt, die auf sämtliche kapitalistische Länder zurückwirken muß und gerade als proletarisch-sozialistischer Kampf um die Macht so gut in Deutschland wie anderswo nur auf revolutionärem Wege ausgetragen werden kann! Und diese schwindsüchtige Theorie von den „großartigen Machtmitteln des Staates” und dem Ersatz der Revolution durch den parlamentarischen „Kampf” wird den deutschen Arbeitern just in dem Moment gepredigt, wo die Friedensfrage wie die ganze Zukunft des Internationalen Sozialismus davon abhängt, daß die deutsche Arbeiterklasse endlich die fatale Verblendung der offiziellen deutschen Sozialdemokratie, die ihr jahrzehntelang beigebracht wurde, los wird: das Dogma nämlich, daß in Deutschland alles, was anderswo auf revolutionärem Wege erreicht wird, „auf parlamentarischem Boden”, durch das Zungendreschen der Reichstagsabgeordneten, zu erlangen sei! – Wahrhaftig, die Osterbotschaft der Berliner Arbeitsgemeinschaft paßt zu der kaiserlichen Osterbotschaft über die preußische Wahlreform ganz vortrefflich: beides Erzeugnisse der muffigen, abgestandenen politischen Weisheit, die darauf förmlich stolz ist, trotz Weltkrieg und Weltumwälzung nichts gelernt und nichts vergessen zu haben.
Spartacus, Nr. 5 vom Mai 1917.
In: Spartakusbriefe, Berlin 1958, S. 347-351.