Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 267

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lange Liste furchtbar radikaler Anträge, die sie dem Reichstag präsentieren will. Was ist da nicht alles zu finden! Beinahe das ganze Parteiprogramm ist abgeschrieben und soll nun auf den Tisch des Hauses gelegt werden. Man weiß wirklich nicht, was man zu diesem tragikomischen Johannistrieb sagen soll. Das ist also in dieser Stunde das Wichtigste: Anträge an den Reichstag zu richten?! An diesen Reichstag der imperialistischen Mameluckengarde! Und gerade heute, wo einer Welt daran liegt, den deutschen Massen endlich klarzumachen, daß sie nichts vom Parlamentarismus, daß sie alles nur von der eigenen Initiative, Tatkraft und Aktionsfähigkeit zu erwarten haben, heute, wo Rußland auch dem Blindesten handgreiflich zeigt, was „Aktionsprogramm” und was „Aktion” heißt – kommt die Arbeitsgemeinschaft mit einer Fuhre voll radikalster Forderungen an den Reichstag, und das Reden an die Wand über diese Anträge soll eine „Aktion” sein!

Indes gemach! Vielleicht irren wir uns. Vielleicht war das „Aktionsprogramm” der Arbeitsgemeinschaft gar nicht ernst als parlamentarische Aktion gemeint, vielleicht war es nur gedacht als das übliche Hilfsmittel, um den Massen wieder das sozialdemokratische Programm in Erinnerung zu bringen und gerade von der Tribüne des Reichstags zu verkünden, daß nichts im Reichstag, daß alles „auf der Straße” erreicht werden könne? Nun, wir besitzen einen deutlichen Kommentar der tatsächlichen Auffassung der Arbeitsgemeinschaft über diese Frage, und zwar in dem Berliner „Mitteilungs-Blatt” der Arbeitsgemeinschaft, das am B. April in seinem Osterartikel schrieb:

„Es ist ein altes, wahres Wort, daß man keine Revolutionen künstlich machen kann. Das gilt für unsere Zeit mehr denn je. Man kann wohl Putsche inszenieren, aber den großartig organisierten Machtmitteln des heutigen Militärstaates gegenüber sind sie zur Aussichtslosigkeit verurteilt, ebenso wie elementar ausbrechende Hungerrevolten bald erstickt werden können. Wie bei einem modernen Kriege werden auch bei einer Revolution eine Unsumme von Faktoren zusammenwirken, ehe ein ganzes Volk in gewaltsame Zuckungen gerät. Darum ist es auch falsch, die revolutionären Erscheinungen und revolutionären Mittel des einen Landes schematisch auf ein anderes Land übertragen zu wollen, in dem die wirtschaftlichen Grundlagen, die politischen und sozialen Zustände, die geschichtliche Entwicklung und der Volkscharakter ganz anders geartet sind …

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