Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 259

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Allerdings, das Proletariat eines einzelnen Landes vermag auch mit dem größten Heroismus diese Schlinge nicht zu lösen. Die russische Revolution wächst von selbst zu einem Internationalen Problem an. Die russischen Arbeiter kommen nämlich mit ihren Friedensbestrebungen in schärfsten Konflikt nicht nur mit der eigenen Bourgeoisie, die sie schon zu bändigen verstehen, sondern auch mit der englischen, französischen und italienischen Bourgeoisie. Die knurrenden Äußerungen der bürgerlichen Presse der Ententeländer, all der „Times”, „Matin”, „Corriere della Sera”, zeigen, daß die Kapitalisten des Westens, diese wackeren Kämpen der „Demokratie” und der Rechte der „kleinen Nationen”, mit stündlich steigender zähneknirschender Wut auf die Fortschritte der proletarischen Revolution blicken, die der schönen Periode ungeteilter Herrschaft des Imperialismus in Europa ein Ziel gesetzt hat. Diese Kapitalisten der Entente bilden jetzt hinter der russischen Bourgeoisie, gegen die das russische Proletariat zum Kampfe um den Frieden aufsteht, die stärkste Rückendeckung. Sie können in jeder Weise – diplomatisch, finanziell, handelspolitisch – den stärksten Druck auf Rußland ausüben und tun es sicher schon jetzt. Liberale Revolution? Provisorische Regierung der Bourgeoisie? Schön! Sie wurden sofort offiziell anerkannt und begrüßt als Bürgschaften für eine militärische Ertüchtigung Rußlands, als gehorsame Werkzeuge des Internationalen Imperialismus. Aber keinen Schritt weiter! Kehrt die russische Revolution ihren proletarischen Kern hervor, wendet sie sich logisch gegen den Krieg und den Imperialismus, dann zeigen ihr die teueren Verbündeten sofort die Zähne und werden ihr in jeglicher Weise die Kandare anzulegen suchen. Daraus ergibt sich für das sozialistische Proletariat Englands, Frankreichs und Italiens jetzt die unabweisbare Pflicht, die Fahne der Rebellion gegen den Krieg durch nachdrückliche Massenaktionen im eigenen Hause, gegen die eigenen herrschenden Klassen, zu erheben, wollen sie nicht an dem russischen revolutionären Proletariat blanken Verrat üben, es im ungleichen Kampfe nicht nur mit der russischen Bourgeoisie, sondern auch mit derjenigen des Westens verbluten lassen. Die bereits ausgeübte Einmischung der Ententemächte in die internen Angelegenheiten der russischen Revolution ist ein Ehrengebot an die Arbeiter jener Länder, durch einen revolutionären Flankenangriff gegen die eigenen herrschenden Klassen zur Erzwingung des Friedens die russische Revolution zu decken.

Nun aber die deutsche Bourgeoisie! Mit einem sauer lächelnden und einem bitter weinenden Auge schaut sie auf die Aktion und die Machtstellung des russischen Proletariats. Gewöhnt und verwöhnt, zu Hause

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