Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 229

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Verträge kapitalistischer Regierungen aber, die nicht aus sozialistischem, sondern aus kapitalistischem Geiste geboren sind, können ihrem Wesen nach nicht im sozialistischen Geiste wirken. Und der künftige Friede kann nicht durch ein Stück Papier gesichert werden, und wenn es mit den schönsten Völkerrechtssätzen und Schiedsverträgen beschrieben wäre, nicht durch ein Stück Papier, das jeden Augenblick in Brand geschossen werden und in Rauch und Flammen aufgehen kann, wenn es einer imperialistischen Räuberbande gefällt, noch durch den „guten Willen” und die rechtliche „Moral” kapitalistischer Diplomaten.

Auch wir fordern „reale Garantien”. Freilich nicht im Sinne der herrschenden Klassen.

Was wir brauchen, das ist ein Friede des Proletariats, nicht des Imperialismus, ein Friede, der durch das Eingreifen der Arbeiterklasse herbeigeführt wird, nicht durch die Diplomatie noch durch die Kanonen, nicht durch die Hindenburg, Krupp und Bethmann Hollweg, sondern gegen sie; das ist ein Friede, dessen Gestaltung bestimmt und dessen Erhaltung gesichert ist durch die Macht und den Willen der aktionsfähigen und aktionsbereiten Massen. Und nur ein solcher Friede unter der Garantie des klassenbewußten Proletariats trägt auch die Gewähr der Dauer in sich.

Der Schiedsgedanke, wie ihn die neutralen sozialistischen Konferenzen vertraten, ist nicht nur utopisch, sondern gefährlich und schädlich, weil er Illusionen über den möglichen Sinn und die mögliche Wirksamkeit diplomatischer Abmachungen kapitalistischer Regierungen und Irrtümer über Wesen und Macht des Imperialismus erweckt; gefährlich und schädlich, weil er die politische Orientierüng der Massen, ihre Einsicht in die wirklichen Zusammenhänge und Triebkräfte der Entwicklung verbaut und verwirrt, weil er die Aufmerksamkeit des Proletariats von dem ablenkt, worauf es für die Arbeiter allein ankommt, von den einzigen spezifisch proletarischen Mitteln, die ihnen für ihren Friedenskampf zu Gebote stehen.

In diesem Kampf hängt alles, aber auch alles davon ab, daß die Arbeiterklasse jede Hoffnung auf fremde Hilfe fahrenläßt, sich auf sich selbst als ihre einzige Rettung besinnt, ihre Ziele aufstellt und zu deren Verfolgung ihre eigene gesellschaftliche Macht ausbildet und einsetzt.

Nur ein Friedenskampf unter solchen Voraussetzungen, in dem das Proletariat als selbständiger politischer Faktor in der ihm als Klasse eigentümlichen Art auftritt, ist imstande, sich über sein unmittelbares Friedensziel hinaus zu dem auszuwachsen, was er kraft der historischen Aufgabe des Proletariats zugleich sein muß: zur entscheidenden Auseinanderset-

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