Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 218

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Und auch in Rußland, als die Volksmasse im Jahre 1905 ihren ersten Triumph über den zarischen Absolutismus und über den Krieg mit Japan[1] feierte, eilte sie sofort vor die Tore der Gefängnisse, und unter ihrem gebieterischen Ansturm spieen die Kerker ihre langjährigen Opfer aus.

Auch Liebknecht kann aus seinem Zuchthaus nur durch die Masse des deutschen Proletariats befreit werden, wenn sie ihre Pflicht, ihre Ehre und damit ihre wahre Macht wiedergefunden hat.

Liebknechts Schergen wissen wohl, mit welcher Liebe Hunderttausende im Lande wie im Schützengraben an ihm hängen. Gerade diesen Arbeitern und Soldaten wollte die Militärdiktatur zeigen: „Wir achten eures Schmerzes und eurer Wut nicht, auch können wir euch alles bieten, ihr werdet doch nichts für Liebknechts Befreiung wagen, ihr seid und bleibt Kanonenfutter!” Jetzt ist es an den Proletariern im Arbeitskittel und im Soldatenrock, die Antwort zu geben.

Liebknecht rief, als man ihm im Oberkriegsgericht am 23. Juli das verschärfte Urteil verkündete, mit stolz erhobenem Haupte: „Und doch wiederhole ich: Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!”

Liebknechts Ketten werden fallen, wenn die deutsche Sozialdemokratie das Kainszeichen des Verrats am Internationalen Sozialismus von ihrer Stirne wegwischen wird, wenn Millionen Frauen und Männer im Lande wie im Schützengraben den Mut finden, ebenso furchtlos wie Liebknecht den Ruf zu erheben:

Nieder mit dem Krieg!

Nieder mit der Regierung!

Spartacus, Nr. I vom 20. September 1916.
In: Spartakusbriefe, Berlin 1958, S. 217-220.

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[1] Der Russisch Japanische Krieg, der vom Februar 1904 bis September 1905 um die Vorherrschaft über Gebiete Chinas geführt wurde, endete mit einer Niederlage Rußlands.