Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 183

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seste Opposition, nicht einmal für den Schatten einer Opposition Platz ist! Die eherne Logik der Dinge erteilt hier den Genossen eine herbe Lektion, aus der zu lernen dringende Pflicht ist für jeden denkenden Arbeiter. Die Vorgänge des 24. März zeigen, daß Bescheidenheit, Duldsamkeit, Langmut, Fügsamkeit den Parteiverrätern gegenüber zu gar nichts anderem führt als zur Verschleppung und Verzögerung des Gesundungsprozesses der Partei. Die achtzehn um Haase und Ledebour, die sich aus Angst vor den demagogischen Schlagworten Disziplin und Einigkeit selbst zwei Jahre lang zu einem Schattendasein voller Widersprüche und Zweideutigkeiten verurteilt hatten, sind doch schließlich genau in dieselbe Lage geraten, in die Liebknecht durch konsequente und mannhafte Vertretung der Parteigrundsätze schon viel früher gekommen ist. Alles Abrücken von Liebknecht, alles Zurückweichen vor Entscheidungen hat sie schließlich nicht bewahrt vor der Alternative: entweder mit den Verrätern am Sozialismus und an der Internationale zu Mitschuldigen des Verrats zu werden oder sich von der Diktatur der Verräter frei zu machen, um sich wenigstens die Möglichkeit zu verschaffen, sozialdemokratische Politik zu treiben, Arbeiterinteressen zu vertreten. Um diese Wahl, um dieses erbarmungslose Entweder-Oder den offiziellen Parteiinstanzen gegenüber kommt niemand herum, der die Partei und den Sozialismus aus der jetzigen Schmach retten will. Der 24. März, die Bildung der Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft ist von hier aus betrachtet der Bankrott der kleinen Schritte und der Politik des Ausweichens vor Entscheidungen, der Politik der Schwächliçhkeiten, Halbheiten und Konzessionen an die Rechte. Der 24. März hat faustdick bewiesen, daß diese Politik weder Spaltungen noch öffentliche, scharfe Auseinandersetzungen im Schoße der Partei verhütet. Dieselbe Trennung von dem sozialimperialistischen Klüngel der Fraktion wäre schon viel früher unvermeidlich gewesen, wenn Haase und Ledebour eine konsequente, grundsätzliche Opposition gegen die Parteiverräter gewagt hätten. Hätten alle, die sich Opposition nennen, von Anfang an rücksichtslos und konsequent gehandelt, dann wäre der schmerzhafte Prozeß der Gesundung der Partei um ein beträchtliches abgekürzt, die Aufklärung und Sammlung der proletarischen Massen erleichtert, der Internationale Zusammenschluß der Sozialdemokratie und damit die Beendigung des Völkermordes beschleunigt worden.

Parteigenossen und Genossinnen! Es ist das oberste Gebot der Pflicht gegenüber unseren historischen Aufgaben, wenigstens aus den eigenen Fehlern zu lernen. Der ungeheure Jammer, den der ruchlose Krieg auf-

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