Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 179

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Zeugnis für einen Politiker, für einen Kämpfer, als daß er aus der harten Schule der Geschichte nicht zu lernen versteht. Fehler machen ist nicht schlimm. Vor Fehlern ist niemand gefeit, der in dem großen Drang und Gewühl des welthistorischen Kampfes Entscheidungen zu treffen hat. Aber die gemachten Fehler nicht einsehen, aus ihnen nicht lernen können, aus aller Schmach immer wieder unbelehrbar hervorzugehen – das grenzt an Verbrechen. Genossen, wenn uns nicht einmal dieses Blutmeer, durch das wir waten, wenn uns nicht einmal dieser furchtbare moralische Fall der Internationale zur besseren Einsicht und auf festen Weg führt, dann können wir uns wahrhaftig begraben lassen. Dann fort mit den Internationalen Phrasen, fort mit der alten, verlogenen Leier, fort mit der Täuschung der Volksmassen, die ja vor uns mit Recht ausspeien werden, wenn wir nach diesem Kriege als die alten, unbelehrbaren Phrasenhelden vor ihnen die Idee der Völkerverbrüderung propagieren, ohne mit ihr je Ernst machen zu wollen I

Auch hier, Genossen, heißt es: entweder – oder! Entweder blanker und schamloser Verrat der Internationale, wie sich ihn die Heine, David, Scheidemann leisten, oder heiliger Ernst mit der Internationale, dann soll sie zu einer festen Burg ausgebaut, zum Bollwerk des sozialistischen Weltproletariats und des Weltfriedens gemacht werden. Für Mittelwege, für Schwankungen und Halbheiten gibt es heute keinen Platz mehr.

Und deshalb ist ein gemeinsames Vorgehen mit den Leuten, die auf dem Standpunkt der Genossen Ledebour und Hoffmann stehen, für wirklich oppositionelle Elemente unmöglich.

Genossen und Genossinnen! Laßt euch nicht durch die alte Phrase von der Einigkeit, die die Kraft bilde, einfangen. Mit dieser Phrase gehen auch jetzt die Scheidemann und Ebert vom Parteivorstand hausieren. Jawohl, Einigkeit macht stark, aber Einigkeit der festen, inneren Überzeugung, nicht äußere, mechanische Zusammenkoppelung von Elementen, die innerlich auseinanderstreben. Nicht in der Zahl liegt die Kraft, sondern in dem Geiste, in der Klarheit, in der Tatkraft, die uns beseelt. Wie dünkten wir uns stark, wie pochten wir auf unsere vier Millionen Anhänger vor dem Kriege, und wie ist doch unsere Kraft bei der ersten Probe gleich einem Kartenhaus zusammengebrochen, gestürzt! Auch hier heißt es aus den erlebten Enttäuschungen die Lehre ziehen, nicht wieder in die alten Fehler verfallen! Wollen wir gegen den herrschenden Kurs der offiziellen Parteiinstanzen, gegen die Fraktionsmehrheit energisch Front machen, dann ist klare, konsequente, energische Politik nötig, dann müssen wir nicht nach rechts oder nach links schauen, sondern uns um ein sichtbares

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