Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 166

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allen Streitfragen, die eine Scheidung der Geister herbeiriefen. Im Innern waren wir ganz schwach, weil wir nur eine äußere Einigkeit hatten, aber Opposition im Innern. Wir wollen jetzt anders gestalten das Leben in der Partei und in der Internationale; im bewußten Gegensatz zum Bisherigen. Entweder hören wir auf, Phrasen zu dreschen, oder die Massen spucken vor uns aus. Wir müssen jetzt umgestalten die Internationale von Grund auf. Welches Unglück, wenn die Internationale den Deutschen Fesseln anlegt unter Ausnutzung der Organisation zu Zwecken der Bourgeoisie. Dagegen wenden sich L[edebour] und A. H[offmann], wie das schon wieder Worte und Taten beweisen, bringen die Partei in Gegensatz. Die alte abgebrauchte Leier. Seit mindestens zwei Jahren. Die Deutschen seien ein Hemmschuh der Internationale. Gegenüber diesem Veto konnten die anderen nichts ausrichten …[1] Ich gehe nicht so weit, daß ich sage, wären diese Deutschen nicht gewesen. Es muß auch andererseits anders sein. Deutschland in allem voran, auch in der Hemmung der Internationale. Sie fühlen, daß die deutschen Instanzen querrevolutionäres Element sind, und trotzdem wollen sie die unterstützen, und nun gar in Kriegszeiten. Das ist ja der springende Punkt. Wenn wir das nicht fertigbringen, daß bei dem nächsten Kriegsfall die Internationale eine Macht darstellt, dann wollen wir uns lieber heute als morgen begraben lassen. Die Naivität, Blindheit, Unbewährtheit. Wie verstehen sie die Internationale? Die Internationale ist keine kleine Zahl von Leuten, sondern das sind die Massen. Was ist die Internationale? Wie L[edebour] und H[offmann] die behandeln, so bestand sie bis jetzt. Im Leben der Massen des Proletariats nicht zuerst international, sondern zuerst national. International einmal in zwei Jahren. Wenn wir wollen, daß die Internationale anders wird, dann müssen wir sie eben auf breiterer Basis errichten. Was L[edebour] und H[offmann] demokratischer Grundgedanke nennen, das ist die Souveränität der Instanzen. Wir wollen das Gegenteil. Wir verstehen, daß die Internationale zur Basis der Organisation des Proletariats in allen Ländern werden soll. In allem, was du tust, hast du die Pflicht, der Internationale treu zu bleiben. Das soll zum Gemeingut der Massen aller Länder werden. Dann kommt es auf die Instanzen überhaupt nicht an. Wenn die Soz[ialdemokratie] nicht ein so zerbrechliches Gebilde gewesen wäre, dann würde die Internationale leben, obwohl keine Zusammenkunft möglich war. Wenn Sie diese letzte Sitzung[2] erlebt hätten, Sie hätten im voraus gesehen: Alles, was gekommen ist, mußte kommen. Die Leute

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[1] Punkte in der Quelle.

[2] Die Sitzung des Internationalen Sozialistischen Büros fand am 29./30. Juli 1914 in Brüssel statt.