Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 113

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schen Militarismus damit zu schmücken, an dessen Bekämpfung Marx „den letzten Hauch von Mann und Roß” hergeben wollte. Es waren die gefrorenen Trompetentöne der „Neuen Rheinischen Zeitung”, der deutschen Märzrevolution gegen das leibeigene Rußland Nikolaus’ I„ die der deutschen Sozialdemokratie plötzlich im Jahre des Heils 1914 ans Ohr drangen und ihr den „deutschen Gewehrkolben” Arm in Arm mit dem preußischen Junkertum – gegen das Rußland der großen Revolution in die Hand drückten.

Aber hier gerade gilt es, die „Revision” anzusetzen und die Schlagworte aus der Märzrevolution an der Hand der geschichtlichen Erfahrung von bald 70 Jahren nachzuprüfen.

1848 war der russische Zarismus in der Tat der „Hort der europäischen Reaktion”. Ein bodenständiges Produkt der russischen sozialen Verhältnisse, in deren mittelalterlicher, naturalwirtschaftlicher Basis er tief wurzelte, war der Absolutismus der Schutz und zugleich der übermächtige Lenker der durch die bürgerliche Revolution erschütterten und namentlich in Deutschland durch die Kleinstaaterei geschwächten monarchischen Reaktion. Noch 1851 konnte Nikolaus I. durch den preußischen Gesandten von Rochow in Berlin zu verstehen geben, daß er „es allerdings gerne gesehen haben würde, wenn im November 1848 beim Einrücken des Generals von Wrangel in Berlin die Revolution in der Wurzel unterdrückt worden wäre”, und daß es „noch andere Momente gegeben habe, wo man keine schlechte Konstitution hätte zu geben brauchen”. Oder ein anderes Mal in einer Ermahnung an Manteuffel: daß er „mit Zuversicht darauf rechne, daß das königliche Ministerium unter Hochdero Führung den Kammern gegenüber mit aller Entschlossenheit die Rechte der Krone verteidigen und die konservativen Grundsätze zur Geltung bringen lassen werde”. Derselbe Nikolaus konnte auch noch einem preußischen Ministerpräsidenten den Alexander-Newski-Orden verleihen in Anerkennung seiner „beständigen Anstrengungen … zur Befestigung der gesetzlichen Ordnung in Preußen”.

Schon der Krimkrieg hat darin eine große Verschiebung gebracht. Er führte den militärischen und damit auch den politischen Bankrott des alten Systems herbei. Der russische Absolutismus sah sich genötigt, den Weg der Reformen zu beschreiten, sich zu modernisieren, den bürgerlichen Verhältnissen anzupassen, und damit hatte er den kleinen Finger dem Teufel gereicht, der ihn jetzt schon fest am Arme hält und schließlich ganz holen wird. Die Ergebnisse des Krimkrieges waren zugleich eine lehrreiche Probe auf das Dogma von der Befreiung, die man einem geknechteten

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