Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 503

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rung Ebert–Scheidemann vor die Alternative stellen: entweder mit den Streiks ein Ende zu machen, die ihr drohende Erdrosselung durch die Streikbewegung zu beseitigen, oder aber die Herren Ebert–Scheidemann werden ausgespielt haben. Ich glaube auch, daß schon ihre politischen Maßnahmen dazu führen werden, daß sie sehr bald ausgespielt haben. Die Ebert–Scheidemann empfinden es besonders schmerzlich, daß sie bei der Bourgeoisie nicht viel Vertrauen gefunden haben. Die Bourgeoisie wird es sich überlegen, ob sie den Hermelin auf die derbe Parvenügestalt des Ebert wird legen können. Wenn es soweit kommt, dann wird es schließlich heißen: Es genügt hierzu nicht Blut an den Fingern, sondern er muß blaues Blut in den Adern haben („Sehr gut!”), wenn es soweit kommt, dann wird es heißen: Wenn wir einen König haben wollen, brauchen wir keinen Emporkömmling, der sich nicht mal als König benehmen kann. (Heiterkeit.)

So, Parteigenossen, drängen die Herren Ebert–Scheidemann dazu, daß sich eine konterrevolutionäre Bewegung breitmacht. Sie werden mit den emporlodernden Flammen des ökonomischen Klassenkampf es nicht fertig werden, und sie werden der Bourgeoisie mit ihren Bestrebungen doch nicht Befriedigung schaffen. Sie werden untertauchen, um entweder einem Versuch der Konterrevolution Platz zu machen, die sich zusammenrafft zu einem verzweifelten Kampf um einen Herrn Groener oder zu einer ausgesprochenen Militärdiktatur unter Hindenburg, oder aber sie werden anderen konterrevolutionären Mächten weichen müssen.

Genaues läßt sich nicht bestimmen, es können keine positiven Aussagen gemacht werden über das, was kommen muß. Aber es kommt ja gar nicht auf die äußeren Formen an, auf den Moment, wann dieses oder jenes eintritt, uns genügen die großen Richtlinien der Weiterentwicklung, und die führen dahin: Nach der ersten Phase der Revolution, der des vorwiegend politischen Kampfes, kommt eine Phase des verstärkten, gesteigerten, in der Hauptsache ökonomischen Kampfes, wobei in kurzer oder vielleicht etwas längerer Zeit die Regierung Ebert–Scheidemann in den Orkus verschwinden muß.

Was aus der Nationalversammlung in der zweiten Phase der Entwicklung wird, ist gleichfalls schwer vorauszusagen. Es ist möglich, daß, wenn sie zustande kommt, sie eine neue Schule der Erziehung für die Arbeiterklasse sein wird, oder aber, das ist ebenso nicht ausgeschlossen, es kommt überhaupt gar nicht zu der Nationalversammlung, voraussagen läßt sich nichts. Ich will nur in Klammern hinzufügen, damit Sie verstehen, von welchem Standpunkte wir gestern unsere Position verteidigten: Wir waren

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