Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 494

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Untergang in der Anarchie oder die Rettung durch den Sozialismus. Aus den Ergebnissen des Weltkrieges können die bürgerlichen Klassen unmöglich auf dem Boden ihrer Klassenherrschaft und des Kapitalismus irgendeinen Ausweg finden. Und so ist es gekommen, daß wir die Wahrheit, die gerade Marx und Engels zum erstenmal als wissenschaftliche Basis des Sozialismus in der großen Urkunde, in dem Kommunistischen Manifest, ausgesprochen haben: Der Sozialismus wird eine geschichtliche Notwendigkeit werden, in des Wortes genauester Bedeutung heute erleben. Der Sozialismus ist Notwendigkeit geworden nicht bloß deshalb, weil das Proletariat unter den Lebensbedingungen nicht mehr zu leben gewillt ist, die ihm die kapitalistischen Klassen bereiten, sondern deshalb, weil, wenn das Proletariat nicht seine Klassenpflichten erfüllt und den Sozialismus verwirklicht, uns allen zusammen der Untergang bevorsteht. (Lebhafte Zustimmung.)

Nun, Parteigenossen, das ist die allgemeine Grundlage, auf der unser Programm aufgebaut ist, das wir heute offiziell annehmen und dessen Entwurf Sie ja in der Broschüre „Was will der Spartakusbund?” kennengelernt haben. Es befindet sich im bewußten Gegensatz zu dem Standpunkt, auf dem das Erfurter Programm bisher steht, im bewußten Gegensatz zu der Trennung der unmittelbaren, sogenannten Minimalforderungen für den politischen und wirtschaftlichen Kampf von dem sozialistischen Endziel als einem Maximalprogramm. Im bewußten Gegensatz dazu liquidieren wir die Resultate der letzten 70 Jahre der Entwicklung und namentlich das unmittelbare Ergebnis des Weltkrieges, indem wir sagen: Für uns gibt es jetzt kein Minimal- und kein Maximalprogramm; eines und dasselbe ist der Sozialismus; das ist das Minimum, das wir heutzutage durchzusetzen haben. („Sehr gut!”)

Über einzelne Maßnahmen, die wir in unserm Programmentwurf Ihnen vorgelegt haben, werde ich mich hier nicht verbreiten, denn Sie haben ja die Möglichkeit, dazu im einzelnen Stellung zu nehmen, und es würde zu weit führen, wenn wir das detailliert hier besprechen wollten. Ich betrachte es als meine Aufgabe, nur die allgemeinen, großen Grundzüge, die unsere programmatische Stellungnahme von der bisherigen, der sogenannten offiziellen deutschen Sozialdemokratie unterscheiden, hier zu kennzeichnen und zu formulieren. Dagegen halte ich es für wichtiger und dringender, daß wir uns darüber verständigen, wie die konkreten Umstände zu bewerten sind, wie die taktischen Aufgaben, die praktischen Losungen sich gestalten müssen, die sich aus der politischen Lage, aus dem bisherigen Verlauf der Revolution und aus den vorauszusehenden weiteren Richt-

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