Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 131

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demokratie jeden Krieg möglichst hinauszuschieben trachte. Rohrbach sagt in seinem „Krieg und die deutsche Politik” auf S. VII: „Wenn nicht elementare Katastrophen eintreten, so ist also das einzige, was Deutschland zum Frieden zwingen könnte, der Hunger der Brotlosen.” Er dachte offenbar an einen Hunger, der sich meldet, der sich vernehmlich und bemerkbar macht, um den herrschenden Klassen die Rücksichtnahme auf sich nahezulegen. Hören wir endlich, was ein hervorragender Militär und Theoretiker des Krieges, General von Bernhardi, sagt. In seinem großen Werk „Vom heutigen Kriege” schreibt er:

„So erschweren die modernen Massenheere die Kriegführung in den verschiedensten Beziehungen. Außerdem aber stellen sie an und für sich auch ein nicht zu unterschätzendes Gefahrsmoment dar.

Der Mechanismus eines solchen Heeres ist so gewaltig und kompliziert, daß er operationsfähig und lenkbar nur dann bleiben kann, wenn das ganze Räderwerk wenigstens im großen und ganzen zuverlässig arbeitet und starke moralische Erschütterungen in größerem Umfange vermieden werden. Daß derartige Erscheinungen bei einem wechselvollen Kriege vollständig ausgeschaltet werden könnten, darauf freilich kann man ebensowenig rechnen wie auf lauter siegreiche Kämpfe. Sie lassen sich auch überwinden, wenn sie sich in begrenztem Umfange geltend machen. Wo aber große, zusammengedrängte Massen einmal der Führung aus der Hand gehen, wo sie in panische Zustände verfallen, wo die Verpflegung in größerem Umfange versagt und der Geist der Unbotmäßigkeit in den Scharen Herr wird, da werden solche Massen nicht nur widerstandsunfähig gegen den Feind, sondern sie werden sich selbst und der eigenen Heeresleitung zur Gefahr werden, indem sie die Bande der Disziplin sprengen, den Gang der Operationen willkürlich stören und damit die Führung vor Aufgaben stellen, die sie zu lösen außerstande ist.

Der Krieg mit modernen Heeresmassen ist also unter allen Umständen ein gewagtes Spiel, das die personellen und finanziellen Kräfte des Staates aufs äußerste in Anspruch nimmt. Unter solchen Umständen ist es nur natürlich, daß überall Anordnungen getroffen werden, die es ermöglichen sollen, den Krieg, wenn er ausbricht, rasch zu beenden und die ungeheure Spannung rasch zu lösen, die sich aus dem Aufgebot ganzer Nationen ergeben muß.” [Hervorhebungen – R. L.]

So hielten bürgerliche Politiker wie militärische Autoritäten den Krieg mit den modernen Massenheeren für ein „gewagtes Spiel”, und dies war das wirksamste Moment, um die heutigen Machthaber vor der Anzettelung der Kriege zurückzuhalten wie im Falle des Kriegsausbruchs auf

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