Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 82

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gleichmäßiger auf das ganze Jahr zu verteilen, wodurch in vielen Zweigen die mörderische Saisonarbeit beseitigt wird, während der die Arbeiter Tag und Nacht arbeiten müssen, um danach monatelang ganz ohne Arbeit zu sein. Aber die wichtigste Folge des achtstündigen Arbeitstages besteht für das Proletariat darin, daß es dadurch Zeit, Kraft und Energie für die Organisation, für den Klassenkampf, für seine endgültige Befreiung gewinnt. Die heutige Herrschaft des Kapitals stützt sich hauptsächlich nur noch auf die Unwissenheit und die Fügsamkeit von Millionen Arbeitenden, die – seit eh und je in das Joch der Arbeit für Brot eingespannt und ohne Zeit, über das Unrecht nachzudenken, das ihnen angetan wird – geduldig das Leben eines Arbeitstieres fristen. Der achtstündige Arbeitstag gibt den breitesten Arbeitermassen Zeit zu lesen, sich zu vereinigen und zu bilden, einen breiten politischen Kampf zu führen, macht aus Arbeitstieren Menschen und Bürger. Werden die Arbeiter aber einmal denkende, gebildete Menschen, so wollen sie nicht mehr in der Sklaverei des Kapitals bleiben und begreifen, daß es von ihnen selbst abhängt, ob den heutigen ungeheuerlichen gesellschaftlichen Verhältnissen ein Ende bereitet wird. Deshalb widersetzen sich die herrschenden Klassen dem Achtstundentag so, denn sie fühlen, daß das der erste Nagel für den Sarg ihrer Herrschaft sein würde. Aber deshalb rufen alle echten Freunde des Arbeitervolkes schon seit vierzig Jahren laut nach dem Achtstundentag;

b) Arbeitsverbot für Frauen zwei Wochen vor der Niederkunft und vier Wochen danach ohne Lohnabzug und unter Zusicherung ärztlicher Beihilfe; völliges Arbeitsverbot für Frauen in den schädlichsten Berufen, wie zum Beispiel in den Tabak- und Streichholzfabriken usw.

Der Kapitalismus begnügt sich nicht damit, das ganze riesige männliche Arbeitsvolk in sein Joch zu spannen, er treibt auch die Frauen, die Mütter der Familien, aus ihrem Heim zu schwerer Fron in die Fabriken, in die Werkstätten und Lagerhäuser. Heuchlerisch verkündet die bürgerliche Gesellschaft, die Frau sei die Priesterin des häuslichen Herdes, die Frau sei dazu berufen, Ehefrau und Mutter zu sein. Indessen senkt die Ausbeutung der Kapitalisten den Verdienst der Männer so weit, daß Millionen Frauen aus dem Proletariat gezwungen sind, ihren häuslichen Herd zu verlassen und den ganzen Tag – vom Tagesanbruch bis in die Nacht – im Dienste des Kapitals zu verbringen. Das Familienleben des Arbeiters wird dadurch völlig zerrüttet. Der Arbeiter hat kein Zuhause, wo er, umgeben von einer gewissen Bequemlichkeit und Ruhe, ausspannen könnte; die Arbeiterkinder bleiben ohne Obhut. Die Ehefrau und Mutter aus dem Volk aber verzehrt ihre Kräfte und ihre Gesundheit bei der schweren

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