Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 174

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II Rede zum Verhältnis von Partei und Gewerkschaften

[1]

Parteigenossen! Ich glaube, es wird sich unter uns wohl keiner finden, der nicht mit dem Grundgedanken der Resolution des Parteivorstandes[2] einverstanden wäre. Wir stehen ja hoffentlich allesamt auf dem Standpunkt, daß die Zentralorganisation die geeignetste Form für den modernen gewerkschaftlichen Kampf ist und daß der Anarchismus heutzutage in Deutschland wie in der gesamten kapitalistischen Welt höchstens als eine Folge der geistigen Verirrung und geistigen Dekadenz der Arbeiter betrachtet werden muß. Trotz alledem aber würde ich die Annahme der vom Parteivorstand vorgelegten Resolution als einen großen Mißgriff betrachten. („Sehr richtig!“) Vor allem kann ich mir in meinem beschränkten Untertanenverstand (Heiterkeit.) nicht klarmachen, wie die Stellungnahme der Vertreter der Zentralverbände zu dieser Resolution mit ihrer Haltung zu der vorhergehenden Resolution Kautsky in Einklang gebracht werden kann. Dort, wo es sich um die selbstverständlichste Sache in der Welt handelte, daß jeder Sozialdemokrat auch innerhalb der Gewerkschaft als Sozialdemokrat handeln und die Beschlüsse der Parteitage respektieren soll, sträubte man sich mit Gewalt dagegen, weil das nach außen hin den Eindruck hervorrufen müßte, die Gewerkschaften wären ganz am Gängelbande der Sozialdemokratie. Hier aber ist man ganz damit einverstanden, daß die Sozialdemokratie eine scharfe Aktion zugunsten einer bestimmten Organisationsform der Gewerkschaft unternimmt. Ich befürchte, daß bei einer solchen Doppelstellung das Verhältnis der Gewerkschaften zu der Sozialdemokratie sich etwa im Sinne jenes bekannten bäuerlichen Ehevertrages gestaltet, wo die Frau dem Manne sagte: „Wenn wir in einer Frage einverstanden sind, so soll dein Wille geschehen; wenn wir auseinander gehen, soll nach meinem Sinne gehandelt werden.“ (Heiterkeit.) Ferner finde ich es unverantwortlich, wenn hier die Partei gewissermaßen als Zuchtrute gegen eine bestimmte Gruppe von Gewerkschaftlern gebraucht werden soll, daß wir uns damit innerhalb der Parteireihen Zank und Zwist auf den Hals laden sollen. Es ist

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[1] Redaktionelle Überschrift.

[2] In der Resolution des Parteivorstandes der deutschen Sozialdemokratie wurde gefordert, die anarchosozialistischen Bestrebungen in den lokalen Gewerkschaftsorganisationen zu bekämpfen und die Anarchosozialisten aus der Sozialdemokratischen Partei auszuschließen.