Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 173

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Bebels äußern, nur bin ich nicht sicher, daß ich sie richtig erfaßt habe, denn ich saß auf der linken Seite, und er hat heute immer nach rechts gesprochen. (Große Heiterkeit.) Einen markanten Widerspruch habe ich aber doch entdeckt. Er sagte einmal: Es bleibt selbstverständlich bei der Jenaer Resolution. Wenn uns das allgemeine Wahlrecht genommen werden sollte, dann müßten wir es selbstverständlich mit allen Mitteln verteidigen, und sollten wir auf der Strecke bleiben. Die Worte habe ich mir gemerkt, sie haben mein Herz erquickt und erfrischt, dann aber zum Schluß kam das, was in Deutschland geschehen könnte und müßte, wenn wir durch eine Intervention Preußens in einen Krieg mit Rußland gebracht würden. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Bebel da richtig verstanden habe, und ich würde es für gut halten, wenn er im Schlußwort allen Mißdeutungen vorbeugen würde. Soviel ich ihn verstehen konnte, war der Sinn der, falls wir vor den Krieg gebracht werden, können wir nichts machen. Unsere Freunde in Frankreich wären in schöner Verlegenheit, wenn die Bebelsche Rede so gedeutet werden könnte, denn dort haben unsere tapferen und mutigen Genossen durch Vaillant erklärt: wenn es zum Krieg mit Rußland käme, dann würden sie ihr Veto einlegen. Von unseren Freunden ist das geflügelte Wort geprägt: plutôt l’insurrection que la guerre. Lieber einen Volksaufstand als den Krieg. – Das war die männliche Sprache des französischen Proletariats, und ich hoffe, auch das deutsche wird Mut genug finden, zu sagen: „Es darf nicht gegen unseren Willen geschehen.“ (Lebhafter Beifall.) Bebel hat gesagt: Denkt ihr, der Massenstreik könne vom Parteivorstand gemacht werden? Nein, der Parteivorstand muß von der Masse geschoben werden. Nun, wenn der Parteivorstand seine Rolle nicht anders auffaßt, soll und wird er geschoben werden, und ich bitte Sie, in diesem Sinne die Abmachungen des Vorstandes mit der Generalkommission, die hinter unserm Rücken getroffen sind, abzulehnen und dem Antrag Kautskys[1] zuzustimmen. (Lebhafter Beifall.)

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[1] Karl Kautsky und 32 Genossen forderten in einem Antrag, in der Resolution des Parteivorstandes zur Frage des politischen Massenstreiks u. a. unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen, daß sich jeder Sozialdemokrat an die Beschlüsse der Parteitage zu halten habe und die Sozialdemokratie die höchste und umfassendste Form des proletarischen Klassenkampfes sei. Diesen wichtigsten Teil des Antrages zog Kautsky zurück, nachdem Reformisten Einwände erhoben hatten.