Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 264

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Die Pariser Entlarvung

Der Fall Asef[1] wird bis jetzt genau wie vor kurzem die Entdeckungen über die Korruption der Moskauer Polizei und der anderen dortigen Behörden[2] ausschließlich als sensationelle Bloßstellungen der zarischen Handlanger behandelt. Welche Schmach in der Tat für die getreuesten Diener des Zaren aller Reußen, für die Hüter der „Ordnung“, wenn sie auf einem intimen geheimen Techtelmechtel mit den „Feinden des Throns und des Vaterlandes“, mit roten Revolutionären, ertappt, wenn ihr Händchen bei dem Spiel mit Bomben, Attentaten auf allerhöchste Persönlichkeiten, Expropriationen privater und öffentlicher Vermögen gefunden wird! Wir müssen bekennen, daß uns jenes Restchen von gutmütigem Idealismus in bezug auf die Geheimpolizei und die übrigen Organe des russischen Regierungskadavers vollständig abgeht, das nötig ist, um über die neuen Entdeckungen der Schmach, womit sich diese Edlen bedeckt haben sollen, aus dem Häuschen zu geraten. Es scheint uns vielmehr, daß die Geheimpolizei, Gendarmerie und dergleichen Institutionen „mit Schmach bedecken“ wollen soviel heißt wie Eulen nach Athen tragen und Wasser ins Meer schleppen. Wer erst schlagender Beweise bedurfte, um begreifen zu lernen, daß das ganze Gebäude des historisch bereits zum Tode verurteilten Zarismus in seinem jetzigen konterrevolutionären Röcheln ein einziges großes Produkt der Fäulnis und der Korruption, eine einzige Pestbeule darstellt, dem ist nicht zu helfen. Das sozialistische

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[1] Ende 1908/Anfang 1909 war J. F. Asef, Mitglied des Zentralkomitees der Partei der Sozialrevolutionäre (Die russischen Sozialrevolutionäre waren 1902 als Partei, die sich auf die Bauernschaft stützte, aus den Resten der Volkstümlerbewegung (Narodniki) hervorgegangen. Sie lehnten die Theses von der führenden Rolle des Proletariats in der revolutionären Bewegung ab und wollten die Beseitigung der zaristischen Selbstherrschaft und die Errichtung einer demokratischen Republik durch individuellen Terror erreichen.) und Führer ihrer Kampforganisation, von in Paris lebenden führenden Vertretern der Partei als Agent der zaristischen Geheimpolizei entlarvt worden.

[2] Ende 1908 war öffentlich bekannt geworden, daß die Moskauer Geheimpolizei seit Jahren in enger Verbindung mit dem Verbrechertum stand. Gegen Abgabe eines bestimmten Prozentsatzes der Beute wurde den Verbrecherbanden volle Freiheit gewährt.