Leitmotiv in allen Reden von dieser Seite. Und das andere Leitmotiv war: Wir fügen uns nicht, ihr könnt abstimmen, wie ihr wollt. Das heißt denn doch die Dinge ein wenig auf den Kopf stellen, wenn die Genossen Frank, Timm und Hildenbrand und ihre Gesinnungsgenossen sich hier als die Gekränkten, die Verfolgten, die man vergewaltigen will, hinstellen. Erinnern wir uns doch in aller Ruhe kurz, wie die Dinge lagen. Die süddeutschen Parlamentarier haben entgegen allen Meinungsäußerungen der großen Mehrheit der Partei für das Budget gestimmt, obwohl sie vorher durch ihre Kollegen gewarnt waren, daß es einen Skandal gibt in der Partei. Sie haben der obersten Parteibehörde jede Auskunft über ihre Beschlüsse versagt (Widerspruch.), sie haben den Parteitag im voraus eine Polizeikomödie genannt. („Sehr richtig!“) Sie haben versucht, die süddeutschen Parteigenossen, unsere Brüder, zur Nichtbeschickung unseres Gesamtparteitages aufzustacheln. („Sehr richtig!“) Und nach alledem wenden sie sich hier gegen eine Resolution[1], die in der ruhigsten und sachlichsten Weise (Lachen.) das knappste Minimum von dem sagt, was gerade notwendig ist, um den Standpunkt der Partei zu wahren. Alles übrige wird mit dem Mantel der christlichen Liebe bedeckt, und dabei setzen sie uns noch die Pistole auf die Brust und drohen uns mit Uneinigkeit. Parteigenossen, eine Einigkeit, die dadurch erkauft ist, daß die Majorität einer demokratischen Partei sich ihres Grundrechts begibt, ihre Meinung zu formulieren und bindende Regeln für ihre sämtlichen Mitglieder auszusprechen, ist eine Illusion. Wir dürfen solchem Treiben nicht entgegenkommen, die Einigkeit im Innern muß gewahrt werden. Wir haben allen Grund, dieser für uns den politischen wie den organisatorischen Ruin bringenden Richtung endlich kräftig zuzurufen: Bis hierher und nicht weiter. (Lebhafter Beifall.)
Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages
der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
Abgehalten zu Nürnberg vom 13. bis 19. September 1908, Berlin 1908,
: S. 230/231,
: S. 267-269,
: S. 363-365.
[1] Vom Parteivorstand war eine Resolution eingebracht worden, die die Beschlüsse der Parteitage von Lübeck (1901) und Dresden (1903) gegen die Budgetbewilligung bestätigte, das Verhalten der süddeutschen Budgetbewilliger verurteilte und es als mit den Prinzipien des proletarischen Klassenkampfes unvereinbar bezeichnete. Die Resolution wurde mit 258 gegen 119 Stimmen angenommen.