Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 177

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Die russische Revolution. Rede am 25. September 1906 in Mannheim in einer Volksversammlung

[1]

Nach einem Zeitungsbericht

Genossin Luxemburg bemerkte einleitend in bezug auf ihre Krankheit, sie habe bei ihr von der russischen Revolution gelernt; wenn man sie tot glaube, stehe sie wieder auf. („Bravo!“)

Heute habe ich mich krank geglaubt, aber es hieß, ich solle hier erscheinen und einige Worte über die Revolution sprechen. Ich werde es tun, soweit ich Kraft dazu besitze. Mein Vorredner hat mich am Schlusse seiner Rede eine Märtyrerin und Dulderin der russischen Revolution genannt. Ich muß meine Ausführungen mit einem Proteste hiergegen beginnen. Wer die russische Revolution nicht von weitem betrachtet, wer selber für dieselbe gewirkt hat, der wird nicht sagen, er sei ein Dulder und Märtyrer. Ich kann Sie ohne jede Übertreibung und mit offener Ehrlichkeit versichern, daß jene Monate, die ich in Rußland zubrachte, die glücklichsten meines Lebens sind. Ich fühle mich tief betrübt, daß ich aus Rußland heraus und herüber mußte nach Deutschland.[2] Es ist ein völlig falsches Bild, das Sie sich von der Revolution machen auf Grund der sensationslüsternen Telegramme der bürgerlichen Telegraphenagenturen. Man malt dem Auslande ein großes Blutmeer, unerhörte Leiden des Volkes ohne den geringsten Lichtstrahl. Das ist die Auffassung des dekadenten Bürgertums, aber nicht der proletarischen Klasse. Jahrhundertelang hat das russische Volk geduldet, die furchtbaren Leiden im Laufe der Revolution aber, sie sind nur gering gegen die schrecklichen Leiden, die das russische Volk vor der Revolution, unter einer ruhigen Herrschaft über sich ergehen lassen mußte. („Sehr richtig!“) Jahrhunderte lebte Rußland

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[1] Redaktionelle Überschrift.

[2] Rosa Luxemburg war Ende Dezember 1905 nach Warschau gefahren, um an der Revolution teilzunehmen. Sie wurde am 4. März 1906 verhaftet und nach vier Monaten Haft am 28. Juni 1906 auf Grund ihres Gesundheitszustandes gegen eine Kaution aus der Haft entlassen.