Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vom 13. bis 19. September 1908 in Nürnberg
[1]I Rede zur Frage der Parteischule
[2]Wenn ich das Wort ergreife, so nicht, um gegen die Kritik an der Parteischule zu protestieren, sondern im Gegenteil, um mich zu beklagen über den Mangel einer ernsten, sachlichen Kritik. Die Parteischule ist ein neues und sehr wichtiges Institut, das von allen Seiten ernsthaft gewürdigt und kritisiert werden muß. Ich muß selbst bekennen, daß ich von. Anfang an der Gründung der Parteischule mit größtem Mißtrauen begegnet bin, einerseits aus angeborenem Konservatismus (Heiterkeit.), andererseits, weil ich mir im stillen Kämmerlein meines Herzens sagte, eine Partei wie die sozialdemokratische muß ihre Agitation mehr auf eine direkte Massenwirkung einrichten. Meine Tätigkeit an der Parteischule hat diesen Zweifel zu einem großen Teil behoben. In der Schule selbst, in einem stetigen Kontakt mit den Parteischülern habe ich gelernt, das neue Institut zu schätzen, und ich kann aus vollster Überzeugung sagen: Ich habe das Gefühl, wir haben damit etwas Neues geschaffen, dessen Wirkungen wir noch nicht überblicken können, aber wir haben etwas Gutes damit geschaffen, das der Partei Nutzen und Segen bringen wird. Allerdings ist noch manches zu kritisieren, und es wäre ein Wunder, wenn das nicht der Fall wäre. Wenn ich auch die Anregung auf eine Änderung in der Auswahl der Schüler ablehne – denn wir haben als Lehrer die Erfahrung gemacht, daß die bisherigen Resultate ausgezeichnet sind, so daß ich mir ein besseres Elitekorps gar nicht wünschen möchte –, so finde ich doch einiges an dem Lehrplan auszusetzen. In dem Lehrplan müßte mit an erster Stelle die Geschichte des internationalen Sozialismus stehen. („Sehr richtig!“) Auch die Wanderlehrer des Bildungsausschusses sollten diese Frage mehr würdigen, anstatt sich nur auf nationalökonomische Lehren zu beschränken. Die Geschichte des Sozialismus ist in knapper Form viel leichter dar-