Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 255

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zulegen, ohne daß der Gegenstand darunter leidet, als die Nationalökonomie. Die Geschichte des Sozialismus ist für uns als Kampfpartei die Lebensschule. Wir empfangen daraus immer neue Anregungen. („Sehr richtig!“) Die Schule krankt ferner daran, daß das Verhältnis der Parteiorganisationen zu ihren Schülern nicht das richtige ist; es müßte von Grund aus umgestaltet werden. Es kann jetzt vorkommen, daß Parteiorganisationen Schüler in die Schule schicken wie den Sündenbock in die Wüste, um sich nachher nicht mehr darum zu kümmern, was aus ihnen wird („Sehr richtig!“), ohne ihnen einen genügenden Wirkungskreis zur Verfügung zu stellen. Allerdings besteht auf der anderen Seite auch die Gefahr, daß an die Parteischüler, wenn sie einen Posten haben, gar zu große Anforderungen seitens der Genossen gestellt werden. („Sehr richtig!“) Die Genossen werden sagen: Du warst an der Parteischule, nun zeige einmal stündlich und auf jeder Stelle, was du gelernt hast! Solche Hoffnungen werden die Parteischüler nicht erfüllen können. Wir haben uns bemüht, ihnen von erster bis zu letzter Stunde klarzumachen, daß sie noch kein fertiges Wissen haben, daß sie noch weiterlernen, daß sie ihr ganzes Leben lang lernen müssen. Wenn auch die Parteischüler später Gelegenheit bekommen müssen, das Gelernte nutzbringend zu verwerten, so muß man andererseits doch auch dies berücksichtigen. Also es gibt ernste Gesichtspunkte genug, um die Frage der Parteischule nach allen Seiten hin zu kritisieren. Aber solche Kritik, wie sie Eisner[1] übt, ist nicht angebracht. Eisner hat eine so große Ehrfurcht vor der Wissenschaft, daß mir davor bange wird; ich fürchte, der Wissenschaft im allgemeinen und besonders der sozialistischen Wissenschaft bei Eisner geht es so wie dem armen Klopstock, auf den Lessing die geflügelten Worte sagt:

Wer wird nicht einen Klopstock loben?

Doch wird ihn jeder lesen? – Nein.
Wir wollen weniger erhoben

Und fleißiger gelesen sein.

(Heiterkeit.) Ein weiterer Beweis, wie leichtfertig die Kritik von Eisner ist, ist das Beispiel, daß er uns als strahlendes Gegenstück zu der Parteischule entgegengehalten hat den Nürnberger Trichter (Heiterkeit.), den man sich hier geschaffen hat in Gestalt des Genossen Maurenbrecher. Maurenbrecher soll als einziger Lehrer hier dem Proletariat die gesamte

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[1] Einige Sozialdemokraten, besonders Kurt Eisner und Max Maurenbrecher, versuchten, unter dem Deckmantel der Kritik an der Parteischule und dem Lehrprogramm die Verbreitung und Vertiefung von Erkenntnissen des wissenschaftlichen Sozialismus in der Arbeiterbewegung zu verhindern und die Bildungsarbeit der Sozialdemokratie in bürgerliche Bahnen zu lenken.