Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 437

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Die totgeschwiegene Wahlrechtsdebatte

[1]

Der „Vorwärts“ befolgt in der ganzen Diskussion über die preußische Wahlrechtsbewegung[2] eine Taktik, die sowohl vom politischen wie vom journalistischen Standpunkt das Originellste darstellt, was mir je vorgekommen ist.

Zuerst lehnt er am 2. März einen Artikel von mir[3] über die Frage der Anwendung des Massenstreiks ab, mit der folgenden Erklärung:

„Leider kann ich Ihre beiden Artikel nicht aufnehmen, da nach einer Vereinbarung zwischen Parteivorstand, geschäftsführendem Ausschuß der preußischen Landeskommission und Redaktion zunächst die Frage des Massenstreiks nicht im ‚Vorwärts‘ erörtert werden soll.“

Dann erklärt er in der Beilage zu Nr. 132 vom 9. Juni, daß „das Gerede von einem Verbot der Erörterung des Massenstreiks und des republikanischen Gedankens ein Tratsch ist“[4]. Und in seiner Einleitung zum Bericht der inzwischen erfolgten Diskussion erklärt er am 10. Juli noch einmal meine Behauptung, die Haltung des „Vorwärts“ sei durch den Beschluß der Parteiinstanzen beeinflußt worden, für „phantasievoll“.

Ferner: Der „Vorwärts“ schweigt die ganze Zeit, solange die Wahlrechtsbewegung dauert und solange die Frage von der darin anzuwenden-

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[1] Genossin Luxemburg ersucht uns, den folgenden Artikel, der eine Antwort auf den Artikel des „Vorwärts“ „Die totgesagte Wahlrechtsbewegung“ (Nr. 183 vom 7. August 1910) ist und dessen Aufnahme ihr der „Vorwärts“ verweigert hat, zu veröffentlichen. Die Red. – [Fußnote im Original]

[2] Seit Mitte Januar 1910 war es in allen Teilen Deutschlands ständig zu Massenbewegungen gekommen, auf denen Hunderttausende Demonstranten das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht für alle Personen über 20 Jahre in Preußen gefordert hatten.

[3] Siehe Rosa Luxemburg: Was weiter? In: GW, Bd. 2, S. 289–299.

[4] Im „Vorwärts“, Nr. 132 vom 9. Juni 1910, hatte die Redaktion dem Artikel „Aus der Parteibewegung in Holland“ folgende Bemerkung beigefügt: „Wir bedauern, daß Genosse Wijnkoop hier über Dinge redet, über die er sichtlich sehr schlecht unterrichtet ist. Würde er die deutschen Parteiverhältnisse nur ein wenig kennen, so würde er wissen, daß das Gerede von einem Verbot der Erörterung des Massenstreiks und des republikanischen Gedankens ein Tratsch ist.“