Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 72

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-2/seite/72

stehende Heer. Dem Volk wird gewöhnlich eingeredet, das Militär sei nötig zur Verteidigung des Landes gegen den Überfall der Feinde. In Wirklichkeit werden diese gewaltigen Armeen, die ständig unter Waffen stehen, nicht für die Verteidigung des Landes gebraucht, sondern für zwei andere Zwecke: für den Raub fremder Länder und Völker und um die werktätige Bevölkerung im eigenen Land in der Sklaverei der herrschenden Ausbeuter zu halten.

Die Kriege, die die heutigen Staaten untereinander führen, braucht die Arbeiterklasse nicht, sie dienen den Kapitalisten. Die Arbeiterklasse hat keinerlei Nutzen davon, wenn der Staat neue Gebiete erobert, fremde Länder und Völker unterjocht, um sie zu berauben und zu unterdrücken. Einen Nutzen daraus ziehen nur die Kapitalisten, die neue Märkte gewinnen, wo sie die von den Arbeitern erpreßte Fronarbeit absetzen und in Gold ummünzen können. Auch der Adel zieht seinen Nutzen aus dem Militär und den Kriegen, indem er die höheren militärischen Rangstufen besetzt und auf diese Weise die Möglichkeit findet, ein Faulenzerleben zu führen und gute Gehälter aus der Staatskasse zu beziehen. Endlich finden auch die höheren und niederen Beamten im Kriege und in den neu eroberten Ländern die Möglichkeit, sich an gestohlenem Geld auf Kosten der schlecht ernährten Soldaten und der ausgebeuteten unterworfenen Bevölkerung zu bereichern. Doch den größten Nutzen aus der Rüstung der großen Armeen und der Kriegführung ziehen die Fabrikanten von Eisen und Stahl, Kanonen, Waffen und Panzerschiffen wie auch die verschiedenen Bekleidungs- und Lebensmittellieferanten der Armee. Hunderte von Millionen, die jährlich für den Unterhalt des Militärs verausgabt werden, wandern auf diese Weise aus der Regierungskasse in die Tasche einer Handvoll Kapitalisten, die besonders während eines Krieges riesige Vermögen zusammenraffen, da die Regierung, die in den Schlachten ihre Panzerschiffe, Waffen und Kanonen verliert, immer wieder neue Mordwerkzeuge bestellt.

Das werktätige Volk hat durch Militär und Krieg nur Verluste. Im stehenden Heer gehen der Jugend des Volkes jeweils einige Jahre ihres schönsten Alters verloren; anstatt für sich und die ihren nützliche Arbeit zu verrichten, muß sie die Zeit mit Musterungen vergeuden und grausamste Mißhandlungen und Erniedrigungen brutaler Unteroffiziere und Offiziere ertragen. Im Krieg gehen die Söhne des Volkes zu Tausenden zugrunde, opfern ihr Leben oder bleiben ihr Leben lang Krüppel, um ihre schlimmsten Feinde – die Kapitalisten – zu bereichern. Fast alle Kosten für den Unterhalt des riesigen Heeres und die Kriegführung fallen dabei auf die

Nächste Seite »