Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 71

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-2/seite/71

Unterhalt der Geistlichkeit und der Kirchen als auch der Religionsunterricht der Kinder, eine Privatangelegenheit sein sollen, in die sich der Staat überhaupt nicht einmischt, weder durch Unterstützung der einen aus öffentlichen Geldern noch durch Verfolgung der anderen;

10. die Gleichberechtigung der Frauen

In der heutigen Gesellschaft, die auf dem privatkapitalistischen Eigentum und der Herrschaft der Kapitalisten beruht, ist die Frau aller politischen Rechte beraubt und wird als ein zweitklassiges, dem Manne untergeordnetes Wesen angesehen. Die Frau aus dieser Erniedrigung befreien, ihr die gleichen Rechte und ihre Menschenwürde zurückgeben, kann nur die sozialistische Gesellschaftsordnung, die die Herrschaft des Privateigentums und mit ihr jegliche Ungleichheit in der menschlichen Gesellschaft beseitigen wird. Die Entwicklung des Kapitalismus bereitet selbst den Boden für die Befreiung und Gleichberechtigung der Frau vor. Die Großindustrie zerstörte die Arbeiterfamilie, verbreitete die Frauenarbeit in den Fabriken, Werkstätten, im Handel, in Büros und öffentlichen Ämtern. Die Frau aus dem Volk ist immer häufiger gezwungen, durch eigene Arbeit sich selbst und oftmals auch die Familie zu ernähren. Sobald aber die ökonomische Abhängigkeit der Frauen verschwindet, so verschwindet zugleich der Boden, auf dem die Rechtlosigkeit und die gesellschaftliche Benachteiligung der Frauen gewachsen sind. Die Frage der Gleichberechtigung der Frauen schreitet also voran zusammen mit der Entwicklung der Großindustrie, mit der Entwicklung des Kapitalismus und mit der Entwicklung der Arbeiterfrage. Die Arbeiterklasse ist die einzige, die kein Interesse hat, die Frauen politisch zu benachteiligen. Die Sozialdemokratie ist die einzige Partei, die die Befreiung der Frauen aus ihrer heutigen Lage aufrichtig fordert und für ihre Befreiung kämpft. Die Sozialdemokratie fordert: 1. die Aufhebung aller staatlichen Gesetze sowohl des Straf- als auch des Zivilrechts, die zuungunsten der Frau erlassen wurden oder in irgendeiner Hinsicht ihre persönliche Freiheit, ihre Verfügungsgewalt über ihr Vermögen oder das Recht, ihre elterliche Gewalt über die Kinder ebenso wie der Vater dieser Kinder auszuüben, beschränken; 2. die Gewährung aller Rechte und politischen Freiheiten für Frauen gleichermaßen wie für die Männer, vor allem das Wahlrecht zum Parlament, zum Sejm, zu den Stadt- und Gemeindeverordnetenversammlungen;

11. die Abschaffung des stehenden Heeres und die Einführung der Miliz

Die stärkste Stütze der despotischen Regierung wie auch der Herrschaft der Kapitalisten über das werktätige Volk ist das Militär, das heißt das

Nächste Seite »