Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 63

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der Bevölkerung in die Stadt- und Gemeindekassen fließen. Nicht minder muß den Arbeitern daran gelegen sein, daß die Stadt oder die Gemeinde städtischen Boden nicht privaten Spekulanten überläßt, die die arme Bevölkerung durch zu hohe Wohnungsmieten für elende und enge Wohnungen ausbeuten, sondern daß die Stadt im Gegenteil entsprechende Plätze aufkauft und auf eigene Kosten nach einem entsprechenden Plan gute und billige Wohnungen für die arbeitende Bevölkerung baut. Ferner ist es außerordentlich wichtig, in genügender Anzahl städtische oder gemeindeeigene Krankenhäuser und Schulen der arbeitenden Bevölkerung kostenlos zur Verfügung zu stellen, ihre geistigen Bedürfnisse zu befriedigen durch Bibliotheken und Lesehallen, die von der Stadt oder der Gemeinde eingerichtet werden, und auch der ganzen Masse des Volkes, auch den Allerärmsten, die Tempel der Kunst zugänglich zu machen, wie zum Beispiel Theater, Musik, Bilderausstellungen usw. Die Arbeiterklasse muß auch dafür sorgen, daß den Ärmsten und jeglicher Existenzmittel Beraubten, den Krüppeln und Waisen, Greisen und Obdachlosen, diesen unglücklichsten Opfern der heutigen gesellschaftlichen Verhältnisse, von der Stadt oder Gemeinde angemessene Fürsorge zuteil wird, aber ohne Erniedrigung der menschlichen Würde, mit der gewöhnlich die bürgerliche Wohltätigkeit verbunden ist.

Endlich ist der Arbeiterklasse sogar die Verschönerung der Städte und Gemeinden durch Kunstwerke, Brunnen, Denkmäler usw. nicht einerlei; sie muß verlangen, daß hierbei auch dem Geist des gebildeten Teils des arbeitenden Volkes und seinen Traditionen, und nicht nur dem Geist und den Traditionen einer Handvoll reicher Bourgeois oder Adliger Rechnung getragen wird.

So gibt es also keine einzige Angelegenheit der Stadt- oder Gemeindewirtschaft, in welcher die Interessen der Arbeiterklasse nicht verschieden von denen der bürgerlichen Klasse oder ihnen nicht geradezu entgegengesetzt wären. Aber solange die zaristischen Beamten oder die Vertreter des reichen Bürgertums in der städtischen Wirtschaft nach ihrem Gutdünken verfahren, so lange wird sie immer im Interesse der Minderheit der Bürger und der Gutsbesitzer und nicht im Geist des arbeitenden Volkes geführt werden. Zum Schutze der Interessen der Arbeiterklasse fordert die Sozialdemokratie, 1. daß die gesamte Stadt- und Gemeindewirtschaft den Entscheidungen der Stadt- bzw. der Gemeindeverordnetenversammlung unterstellt wird; 2. daß die Ratsherren in die Stadt- und Gemeindeverordnetenversammlung von der gesamten erwachsenen Bevölkerung der Stadt oder Gemeinde ohne Unterschied des Geschlechts,

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