Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 61

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liert zu werden, für welchen Kandidaten er stimmt. Zu diesem Zweck sollen die Wähler einen Zettel mit dem Namen des Kandidaten, dem sie ihre Stimme geben wollen, in geschlossenem Kuvert in die Wahlurne werfen, worauf nach beendeter Stimmabgabe die Umschläge geöffnet und die Stimmen vom Wahlbüro gezählt werden. Seit einigen Jahren besteht diese Wahlordnung beispielsweise in Deutschland. Dabei haben die Arbeiter das Recht, in jedem Wahllokal ihren Vertreter für das Wahlbüro zu bestimmen, der dann während der ganzen Zeit der Wahlen streng darüber wacht, ob der Regierungsbeamte oder die Vertreter der bürgerlichen Parteien nicht versuchen, rechtswidrig auszukundschaften, wem die Wähler ihre Stimme geben. Das ist im Interesse der Arbeiterklasse notwendig. Der in der heutigen Gesellschaftsordnung vom Kapitalisten abhängige Arbeiter wäre immer der Rache seines „Brotgebers“ ausgesetzt und dem Verlust seines Arbeitsplatzes, wenn dieser sich davon überzeugen könnte, daß der Arbeiter seine Stimme für einen wirklichen Volksvertreter abgegeben hat, für einen Sozialdemokraten, und nicht für den Kandidaten, den ihm sein „Brotgeber“ zuwies. Die geheime Wahl ist besonders für das Landproletariat nötig, da dieses sich in der größten Abhängigkeit von seinem Herrn befindet und niemals den Mut haben würde, sich in offener Wahl dem Willen seiner Unterdrücker zu widersetzen und der Stimme des eigenen Gewissens zu folgen, das heißt, für den Kandidaten der Sozialdemokratie zu stimmen;

4. Stadt- und Gemeindeselbstverwaltung; Wahlen zu den Stadt- und Gemeindeverordnetenversammlungen au/ der Grundlage des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts

Außer den Fragen, die gleichermaßen die Bevölkerung des ganzen Staates oder speziell unseres Landes angehen und dem gesamtstaatlichen Parlament oder dem Sejm unterstehen, gibt es in jeder Stadt und in jeder Dorfgemeinde eine Menge öffentlicher Angelegenheiten, die nur für die Einwohner der betreffenden Stadt oder der betreffenden Gemeinde wichtig sind. Zu diesen Angelegenheiten gehören: lokale Steuern für die Stadt oder Gemeindekasse; der Unterhalt der örtlichen Schulen; der Unterhalt der Krankenhäuser; die Beleuchtung der Stadt oder Gemeinde; die Instandhaltung der Straßen, Wege und Brücken; die Wasserversorgung der Stadt oder Gemeinde; ferner die städtischen Markthallen; der Stadtverkehr, das heißt die Straßenbahnen, Omnibusse, Droschken; die Verschönerung der Stadt; die Erhaltung der öffentlichen Anlagen und Gärten; der städtischen Theater; der öffentlichen Wohlfahrtseinrichtungen, wie Heime, Nachtasyle, öffentliche Waisenhäuser; der Institutionen der

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