Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 564

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Stadt. Die Bauern wollen ihn deshalb nicht und drohen in vielen Dörfern, daß sie leere Zettel in die Urne stecken werden, da sie ihn schon erkannt und jedes Vertrauen zu ihm verloren haben. Wójcik verbreitet Lügen auf dem Lande, denn anstatt die Wähler darüber aufzuklären, was im Reichsrat war, erzählte er unverschämte Lügen, wie z. B. daß er Anträge stellte, die von Sozialisten gestellt waren, oder daß er von der Regierung 360 Millionen für die Bauern forderte und ähnliches. Das schlimmste ist, daß Wójcik in vier Jahren nicht ein Wort Deutsch gelernt hat und daß ihn ein jeder in Wien verkaufen kann. Wójcik und Bujak versprachen den Bauern vor vier Jahren, daß sie die Moräste austrocknen werden, die Flüsse regulieren, Kreditkassen gründen usw. Nichts davon haben sie getan und nicht einmal versucht.

Der Krakauer Wahlkreis braucht einen solchen Abgeordneten nicht, der sich im Reichsrat nur ein schönes Stück Geld macht, sich aber um die Wähler gar nicht kümmert!“

Nach dieser originellen Kritik der gegnerischen Kandidaten wird der Kandidat der Sozialdemokratie in folgender Weise vorgestellt:

„Unsere Partei, die Partei arbeitender Menschen, die Partei der armen Bauern und Arbeiter, hat ihren Führer und Abgeordneten Ignacy Daszynski als Kandidaten aufgestellt. Er war schon 14 Jahre lang im Reichsrat. Er lebte und arbeitete mit dem Volke, er litt mit dem Volke, und dem Volke bahnte er sein Leben lang den Weg. Kühn, tapfer und unerschrocken wendete er sich gegen die Regierung zur Verteidigung der Ärmsten. Daszynski war überall, wo es galt, um Brot und Freiheit für das Volk zu kämpfen. Er hat das allgemeine und gleiche Wahlrecht zum Reichsrat erobert (im Original mit großen Lettern halbfett – R. L.) und hat den Bauer und den Arbeiter dem reichen Herrn und dem Schlachtschitz gleichgemacht. Er hat der Regierung beigebracht, daß sie das Vereins- und Versammlungsrecht der arbeitenden Masse zu achten hat. Er rief das unaufgeklärte Volk zusammen und belehrte es, wie es sich aufklären und vor Not und Bedrückung schützen soll. Er kämpfte im Reichsrat um den Verdienst der polnischen Arbeiter an den Wasserarbeiten und darum, daß bei uns Fabriken und Gruben entstehen, damit der Bauernsohn nicht nach Amerika zu fliehen braucht, sondern zu Hause ehrliche Arbeit findet. Er saß für uns im Gefängnis und hat uns nicht verraten noch verlassen. Er ist eine Geißel Gottes für die Bedrücker des arbeitenden Volkes, aber ein guter Kamerad und Beschützer für jeden, der unschuldig leidet. Seine Kräfte, seine Gesundheit, sein Leben hat er dafür hingegeben. Wer ihn kennengelernt hat, wird ihn aus allen Kräften unterstützen.“

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