Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 563

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-2/seite/563

daten der Sozialdemokratie noch nicht nationalistisch genug. Würde sich dieser Klub überhaupt zur einzigen Aufgabe die Wiederherstellung Polens stellen, dann würde der Sozialdemokrat Daszynski in einem solchen Polenklub mit Vergnügen Platz nehmen. Es ist dies wieder die fatale Taktik, nach der die galizische Sozialdemokratie es für ihre Pflicht hält, die bürgerlichen Demagogen im Kult der nationalistischen Phrase noch zu übertrumpfen, von der Wiederherstellung Polens in höchsten Fisteltönen auf allen Gassen zu schreien, während sie die Wiederherstellung Polens in Wirklichkeit ungefähr so wenig anstrebt und auch anstreben kann wie die Wiederherstellung Trojas. Wohin diese Politik des Wettlaufs der Sozialdemokratie mit dem bürgerlichen Nationalismus führt, zeigt ja das Beispiel der tschechischen Genossen, die jedenfalls in diesem Humbug nicht Meister, sondern Schüler der galizischen Genossen sind.

Doch kommt das Niveau, auf dem die Wahlagitation in Galizien geführt wurde, am besten in dem Krakauer Wahlaufruf unsrer Partei zum Ausdruck, der sowohl als eigentümliches Dokument wie zur Vermeidung eines einseitigen Eindrucks am besten im Wortlaut gewürdigt werden muß:

„Aufruf an die Herren Wähler des Wahlkreises Krakau-Wieliczka

Wähler!

Nur ein paar Wochen trennen uns vom 13. Juni, dem Tage der Wahlen. Deshalb wollen wir uns an euch wenden, um zu überlegen, für wen wir stimmen sollen. Verschiedene Parteien und verschiedene Kandidaten arbeiten in unserem Wahlkreise, und es verlohnt sich zu fragen, wer von ihnen der Beste ist und wem geben wir unsere Stimmen? Von den zwei ersten werden wir nur kurz schreiben: Zgórniak und Kruszyna haben bei uns gar keine Bedeutung, weil Zgórniak sich an die Pfaffenkutte klammert, Kruszyna aber würde nicht kandidieren, wenn er nicht Geld dazu hätte. Die Bauern wollen von ihnen nichts hören, vor den Arbeitern aber haben jene zwei Angst wie vor dem Feuer. Also schade um jede Stimme, die auf Zgórniak und Kruszyna fällt!

Verbleiben zwei andere: Herr Tetmajer und Wójcik. Von Herrn Tetmajer können wir sagen, daß er ein ehrlicher Mensch ist, er versteht sich aber nicht auf parlamentarische Arbeit, denn er war weder Abgeordneter im Reichsrat, noch hat er sich in die Politik gemacht, sondern er malte schöne Bilder. Hingegen Wójcik war im Reichsrat und hat dort gezeigt, daß er die Interessen der Bauern um der schönen Augen der Minister willen verraten hat. Seit er in den Polenklub eingetreten ist, stimmte er immer mit den Herren gegen das arme Volk auf dem Lande und in der

Nächste Seite »