Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 556

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suches noch nicht herausgekommen, und sie hat mit großen Schwierigkeiten von beiden Seiten zu ringen: sowohl mit den äußeren Hindernissen, die ihr ein brutales Polizeiregiment bereitet, wie mit inneren Schwierigkeiten, die sich aus der Neuheit der Aufgabe und ihrer Kompliziertheit ergeben. Auf den jüngsten allgemeinen Kreuzzug der Polizei gegen unsre Jugendorganisationen wäre der Parteitag berufen, durch demonstrative Bekräftigung der einmal vorgenommenen Aufgabe den Fehdehandschuh aufzunehmen, zugleich aber auch durch Prüfung der bisher gesammelten Erfahrungen der weiteren Arbeit Richtlinien zu geben.

Wie man indes auch zu der erwähnten Frage stehen mag, eine andre gehört unter allen Umständen auf die Tagesordnung des Parteitags, und das ist die Maifeier. Bisher stand die Maifeier fast auf jedem Parteitag zur Debatte, und die vorgeschlagene Tagesordnung zum Jenaer Parteitag soll in einer langjährigen Praxis eine Ausnahme machen. Man fragt sich umsonst nach Gründen, die uns veranlassen könnten, gerade in diesem Jahre eine so auffallende Lücke in unsern Parteitagsberatungen zu lassen. Die Maifeier ist eine stehende Rubrik des Parteilebens, der Mittelpunkt der Agitation jedes Jahres, eine Aufgabe und ein Kampfziel, das durch keine Reichstagswahlen in den Hintergrund geschoben werden kann. Genauso wie der Gedanke der Maifeier zum ehernen Bestand der deutschen Sozialdemokratie geworden ist, so gehört die Maifeier auf die Tagesordnung eines deutschen Parteitags. Sind doch unsre Parteitage nicht bloß Verwaltungsinstanzen für innere Angelegenheiten der Partei, sondern Demonstrations- und Agitationsmittel von hervorragender Wirkung nach außen. Wir meinen damit nicht die bürgerliche Welt, auf die man etwa bei den Debatten des Parteitags Rücksicht nehmen müßte, sondern die breitesten Volksmassen, die ihr Augenmerk auf unsre Parteitage richten und für die unsre Verhandlungen ein ständiges Memento an die wichtigsten Aufgaben des Klassenkampfes, also auch an die Maifeier, sein müssen. Wir haben jedoch außer diesen allgemeinen Gesichtspunkten um so weniger Anlaß, die Frage der Maifeier in Jena zu umgehen, als sie immer noch nicht aufgehört hat, Gegenstand von widerstrebenden Strömungen und Kämpfen zu sein. Der glänzende Verlauf der diesjährigen Maifeier ist ein neues Argument gegen die Flaumacher, das mit aller Wucht von der Partei zu Protokoll genommen und ins Feld geführt werden muß. Wenn auf der andern Seite, trotz dieses jüngsten Beweises für die Lebendigkeit des Maifeiergedankens in den Arbeitermassen, eine ganze Gewerkschaft, wie die der Buchdrucker, beschließt, die Abschaffung der Maifeier zu fordern, wenn eine andere, und zwar die stärkste deutsche Gewerkschaft,

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