Reichstagswahlen zu beraten. Diese Konzentrierung des gesamten Parteilebens auf die Reichstagswahlen läßt sich von keinem Standpunkt rechtfertigen. Schon im Interesse der Wahlen selbst ist es kaum praktisch, daß unsre Wahlagitation so sehr früh in vollem Umfange und mit solcher Intensität eingesetzt hat und weiter in diesem Tempo aufrechterhalten werden soll. Eine vorzeitige Erschöpfung unsrer agitatorischen Kräfte und Übersättigung der Massen könnten uns leicht einen gewissen Streich spielen gerade in der Schlußperiode des eigentlichen Wahlkampfes, falls der Wahltermin, was sehr möglich, weit in den Winter hinausgeschoben wird. Aber auch das Parteileben im ganzen muß darunter leiden, wenn es so unnatürlich lange förmlich im Bann des ausschließlichen Gedankens an die bevorstehende Reichstagswahl steht. Schon seit einem Jahr bilden die Reichstagswahlen den Grundton und das Schlagwort bei allem unserm Tun und Lassen. Auf diese Weise werden die Massen durch den ständigen Kehrreim systematisch fasziniert, es werden in ihnen unwillkürlich ganz übertriebene Hoffnungen erweckt, wie wenn der Ausfall der Wahlen eine Art neue Ära in der politischen Geschichte Deutschlands, einen Wendepunkt in den Schicksalen des Klassenkampfes bedeuten sollte. Von den kommenden Wahlen ist mit Sicherheit ein ganz bedeutender Machtzuwachs der Sozialdemokratie im Sinne einer großen Erweiterung ihrer Anhängerscharen zu erwarten. Daran aber im voraus irgendwelche nebelhaften Vorstellungen von einer totalen Umwälzung der Verhältnisse in Deutschland zu knüpfen wäre einer ernsten Partei nicht würdig, und derartiges übertriebenes Konzentrieren aller Hoffnungen und des gesamten Parteilebens auf irgendein nahegestecktes politisches Ziel hat sich noch immer durch späteren unvermeidlichen Katzenjammer gerächt.
Unser Parteileben als der Ausdruck der Gesamtinteressen des proletarischen Klassenkampfes hat seine mannigfachen Seiten, die um keines vorübergehenden taktischen Zweckes willen vernachlässigt werden dürfen. Wir haben Aufgaben, die ständiger Natur sind, die über die bevorstehenden Reichstagswahlen hinausreichen und auf keinen Fall zurückgestellt werden dürfen. Der Parteitag als die höchste beratende und beschließende Instanz der Partei darf an solchen Aufgaben nicht vorbeigehen, er muß den laufenden Bedürfnissen und den heranreifenden praktischen Problemen Rechnung tragen. Von solchen besonders aktuellen Fragen der Organisation und Agitation scheint uns die der Jugendbewegung wohl geeignet, auf dem diesjährigen Parteitag zum Gegenstand ernster Beratungen zu werden. Es sind wenige Jahre erst, seit unsre Jugendbewegung geschaffen ist. Die Partei ist auf diesem Gebiete aus dem Stadium des Ver-