Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 552

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der Lehrfächer im Laufe des Tages kann auch nicht anders als verwirrend auf die Schüler wirken, auf die so Verschiedenerlei in einem fort herabprasselt, daß die Aufnahmefähigkeit von Proletariern, die ja nicht bei geistiger Arbeit aufgewachsen sind, auf die härteste Probe gestellt ist. Hinzu kommt noch, daß der Schulunterricht, der erst um 9 beginnt und bis 6 dauert, dem Schüler weder am Morgen noch am Abend ausreichende Zeit läßt, um für sich zu arbeiten, etwas Ernstes zu lesen. Die in der Mitte liegende ausgedehnte Mittagspause von drei Stunden vergeht bei der Mahlzeit und der ihr folgenden Müdigkeit sowie durch Wege ohne jeden Nutzen für den Unterricht. Abends aber verbleiben den Schülern nach der Abendmahlzeit und dem Heimweg nur ein paar knappe Stunden. Übermüdet vom vielen Gehörten, suchen wohl die meisten notgedrungen eine kleine Erfrischung und geistige Erholung in irgendeinem Parteilokal, was sehr begreiflich, aber kaum die pädagogisch rationellste Vorbereitung für den Unterricht des nächsten Morgens ist.

Endlich kommt die Dauer des Lehrkursus im ganzen in Betracht. In der Parteischule dauert jeder Kursus ein halbes Jahr, wobei zum Schluß meist Klagen der Schüler vernommen werden können, daß nicht noch mehr Zeit zur ausführlicheren Behandlung so mancher wichtigen Gegenstände übriggeblieben ist. In ungefähr derselben Zeit von sieben Monaten hält die Gewerkschaftsschule vier Kurse von je sechs Wochen hintereinander, mit Pausen von je zwei Wochen, ab. Auf diese Weise entfällt für jedes Lehrfach in einem Kursus ein minimaler Zeitraum, so z. B. für die Geschichte und Theorie der deutschen Gewerkschaftsbewegung im ganzen 18 Stunden, für die Gewerkschaftsbewegung des Auslandes ebensoviel usw. Ein ernstes Eindringen und erschöpfende Behandlung irgendeines dieser Gegenstände findet ein unüberbrückbares Hindernis an dieser knappen Zeitbemessung. Es kommt aber noch ein psychologisches Moment hinzu. Jeder Lehrer, der nicht zur geistlosen Maschine werden will, muß sein Lehrfach ständig ausbauen, ständig neues Material dafür sammeln und die Anordnung revidieren. Namentlich wird dies zur Notwendigkeit für die Lehrer unsrer Arbeiterschulen, die ja zugleich nur auf dem Katheder sitzende Mitkämpfer, keine Pädagogen vom Fach, also selbst Lernende sind. Die Parteischule überläßt den Lehrern nach jedem Kursus eine pädagogische Erholungspause von einem halben Jahr, in dem sich der Lehrer wieder ganz seiner sonstigen Kampfarbeit widmen, sich darin wieder erfrischen, mit Muße neues Material für sein Lehrfach sammeln und sichten und dem neuen Kursus mit einiger Freude wieder entgegensehen kann. In der Gewerkschaftsschule sind die Lehrer dazu verurteilt,

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