Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 496

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-2/seite/496

listischen Weltmarkt wie auf die Weltpolitik, auf die Einschränkung der Krisen wie auf die Einschränkung der Rüstungen.

Werfen wir einen Blick auf die Vorgänge der letzten 15 Jahre der internationalen Entwicklung. Wo zeigt sich da irgendeine Tendenz zum Frieden, zum Abrüsten, zur schiedlichen Beilegung der Gegensätze?

Wir hatten in diesen 15 Jahren: 1895 den Krieg zwischen Japan und China, der das Präludium der ostasiatischen Periode der Weltpolitik bildete, 1898 den Krieg zwischen Spanien und den Vereinigten Staaten, 1899–1902 den Burenkrieg Englands in Südafrika, 1900 den Chinafeldzug der europäischen Großmächte, 1904 den Russisch-Japanischen Krieg, 1904–1907 den deutschen Hererokrieg in Afrika; dazu kommt 1908 die militärische Intervention Rußlands in Persien, im gegenwärtigen Moment die Militärintervention Frankreichs in Marokko, ohne der unaufhörlichen Kolonialscharmützel in Asien und in Afrika zu gedenken. Schon die nackten Tatsachen zeigen also, daß seit 15 Jahren beinahe kein Jahr ohne eine Kriegsaktion vergangen ist.

Doch wichtiger ist noch die nachhaltige Rückwirkung jener Kriege. Dem Krieg mit China folgte in Japan eine militärische Reorganisation, die zehn Jahre später das Kriegsunternehmen gegen Rußland ermöglichte und Japan zur militärischen Vormacht im Stillen Ozean machte. Der Burenkrieg zog nach sich eine militärische Reorganisation Englands, die Stärkung seiner bewaffneten Macht zu Lande. Der Krieg mit Spanien ist in den Vereinigten Staaten zum Ausgangspunkt einer Reorganisation der Kriegsflotte geworden und hat die Vereinigten Staaten zu einer Kolonialmacht mit weltpolitischen Interessen in Asien gemacht, den Keim des Interessengegensatzes zwischen den Vereinigten Staaten und Japan im Stillen Ozean geschaffen. Den Chinafeldzug begleitete in Deutschland eine grundlegende militärische Reorganisation, nämlich das große Flottengesetz des Jahres 1900, von dem das Wettrennen Deutschlands mit England zur See und die Verschärfung des Gegensatzes zwischen beiden Staaten datiert.

Weiter kommt aber eine andre hochwichtige Erscheinung hinzu, das soziale und politische Erwachen der Hinterländer, der Kolonien und der „Interessensphären“ zum selbständigen Leben. Die Revolution in der Türkei, in Persien, die revolutionäre Gärung in China, in Indien, in Ägypten, in Arabien, in Marokko, in Mexiko sind ebenso viele Ausgangspunkte weltpolitischer Gegensätze, Spannungen, militärischer Aktionen und Rüstungen. Gerade im Laufe der verflossenen anderthalb Jahrzehnte haben sich also die Reibungsflächen der internationalen Politik beispiellos

Nächste Seite »