Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 476

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zählen, wir haben diese Herren gezwungen, ihre Säbel wieder in die Plempen zu stecken. Parteigenossen! Wir haben noch mehr gezeigt, wir haben den Chef der Polizei in Berlin gezwungen, nachdem er gewaltige Proklamationen gegen uns, die revolutionäre Partei, erließ und plakatierte, die Straße gehört dem Verkehr, Demonstrationen werden nicht geduldet[1], uns die Straße einzuräumen, und ihn gelehrt, daß die Straße uns, der Masse der Arbeiter, gehört. („Bravo!“) So, Parteigenossen, hat uns die Massenbewegung bis jetzt schon gezeigt, daß jeder Schritt vorwärts unter dem Druck der gewaltigen Masse der Arbeiter draußen auf der Straße erzwungen werden muß. Und genauso, wie wir bisher den ersten Sieg über die blutige Faust der Polizei ertrotzt haben, so werden wir nicht anders als auf der Straße und durch große proletarische Massendemonstrationen das Dreiklassenwahlunrecht zerschmettern. („Sehr richtig!“) Parteigenossen! Gerade in diesem preußischen Wahlrechtskampf kann und beinahe muß sich früher oder später der Gebrauch der äußersten und schärfsten Waffe, die das organisierte Proletariat zur Verfügung hat, als notwendig erweisen: der Gebrauch des politischen Massenstreiks. Mögen die herrschenden Gewalten in Preußen noch viel mehr mit dem Säbel fuchteln. Sie haben vielleicht alle gehört, welch neue schöne Geheimnisse von jener Seite auf unserem letzten Magdeburger Parteitag[2] offenbart wurden, wie wiederum ein Herr aus Westfalen, der gewesene Kommandierende General von Bissing, einen ganzen Feldzugsplan gegen das in den Straßen demonstrierende Proletariat entworfen hat. Mögen die Herrschaften, wie sie am 6. März in Berlin getan haben, ihre Kanonen, ihre mit scharfen Patronen geladenen Gewehre gegen die Massen richten. Gegen die Waffen, die wir in Vorrat haben, helfen keine Kanonen, keine scharfen Säbel („Bravo!“ „Sehr richtig!“), alle bisherigen Erfahrungen haben das bereits gezeigt. Kann denn irgendein Staat, mag er an Verblendung, mag er an Brutalität sogar den preußischen Staat übersteigen, kann er gegen Hunderttausende ruhig und friedlich streikende Arbeiter die Kanonen ausfahren lassen? Töricht und verblendet wäre derjenige Staat, der eine so gewaltige Menge Arbeiter niedermetzeln wollte. Denn er würde ja mit eigenen Händen die Biene morden, von deren Honig er als Drohne lebt. („Bravo!“ „Sehr richtig!“) Und, Parteigenossen, kann irgendein Staat – und mag er sämtliche Kanonen gegen uns ausfahren lassen –, kann er friedlich streikende Arbeiter dazu zwingen, die Maschinen in Be-

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[1] Siehe S. 309, Fußnote 2.

[2] Der Parteitag der deutschen Sozialdemokratie in Magdeburg fand vom 18. bis 24. September 1910 statt.