Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 473

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das Dunkel lieben, daß sie sich durchaus nicht beeilen, mit ihren Organisationen, mit ihren Praktiken an das Sonnenlicht der Öffentlichkeit zu treten. In Wirklichkeit ist der Zusammenhang, ist die Verbindung des kapitalisierten Unternehmertums z. B. gegen die Arbeiterschaft und ihre Organisationen eine unendlich größere, als in der Öffentlichkeit bekannt ist. Nun aber, Parteigenossen, nachdem wir gesehen haben, daß auf diese Weise die wirtschaftliche Entwicklung des letzten Jahrzehnts direkt dazu geführt hat, eine gewaltige Masse von Kapital gewissermaßen wie eine beseelte Macht mit einheitlichem Willen und einheitlichem Haß gegen das Proletariat in das Feld zu führen, werfen wir einen Blick auf die politische Seite der Entwicklung. Was sehen wir in der letzten Zeit auf der politischen Bühne Deutschlands? Der Zusammenhang zwischen der ökonomischen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung zeigt sich in einer charakteristischen Weise. Und das wissen wir alle, daß gewissermaßen das Zentrum, die Spitze des ganzen Unternehmerscharfmachertums der berühmte Zentralverband Deutscher Industrieller ist, an dessen Spitze Bueck stand, von dem Sie alle die aufsehenerregende Affäre wissen von den 12 000 Mark, die er der Regierung angeboten hat zu Zwecken, die mit dem Wohle der Arbeiterbewegung wenig gemein haben.[1] Nun ist aber dieser Zentralverband Deutscher Industrieller – der größte Scharfmacher gegenüber allen Arbeiterorganisationen und zugleich die höchste Spitze der Hochschutzzollpolitik, zugleich die größte Stütze der reaktionären Maßnahmen sowie das größte Hindernis aller sozialen Forderungen im Deutschen Reiche – eine Unterstützung aller Maßnahmen der Konservativen Partei. Werte Anwesende, es gibt nichts, keine Erscheinung, die in so typischer Weise die sozialen Schäden unserer Volksentwicklung offenbart, sie auch dem blödesten Auge gezeigt hat, wie das Schauspiel, das sich in Deutschland und speziell in Preußen in letzter Zeit beim preußischen Wahlrechtskampf[2] abgespielt hat. Was hat sich dabei herausgestellt? Es hat sich herausgestellt, daß das Volk zu Mitteln greifen muß, die die Arbeiterklasse notwendig hat, um die elementarsten politischen demokratischen Rechte zu erkämpfen, die von Rechts wegen bereits durch den wirklichen Liberalismus hätten erkämpft werden sollen. Es handelt sich immer noch um den Kampf um das allgemeine Wahlrecht für beide Geschlechter zum preußischen Landtag.

Parteigenossen und werte Anwesende! Es ist eine höchst bezeichnende

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[1] Der Generalsekretär des Zentralverbandes Deutscher Industrieller Henry Axel Bueck hatte 1898 dem Reichsamt des Innern 12 000 Mark zur Finanzierung der Agitation für die Zuchthausvorlage zur Verfügung gestellt. – Am 20. Juni 1899 hatte die Regierung im Reichstag einen Gesetzentwurf „zum Schutz der gewerblichen Arbeitsverhältnisse, die sogenannte Zuchthausvorlage, eingebracht, die sich gegen die zunehmende Streikbewegung richtete und die Beseitigung des Koalitions- und Streikrechts der Arbeiter bezweckte. Auf Grund gewaltiger Massenaktionen konnte diese Vorlage am 20. November 1899 im Reichstag gegen die Stimmen der Konservativen zu Fall gebracht werden.

[2] Seit Mitte Januar 1910 war es in allen Teilen Deutschlands ständig zu Massenbewegungen gekommen, auf denen Hunderttausende Demonstranten das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht für alle Personen über 20 Jahre in Preußen gefordert hatten.